Die Bedingungen für Transgender und Transsexuelle

in unterschiedlichen Ländern der Erde

 

von Lynn Conway

http://www.lynnconway.com/

Copyright @ 2002-2006, Lynn Conway. Alle Rechte vorbehalten.

[V 4-19-06]

Ins Deutsche übersetzt von Beate R. [Tr 8-23-07]

 

[Anm.: wie auf der der gesamten Website wird auch hier der Schwerpunkt auf MzF-Transsexualismus gelegt. FzM-Transsexualismus wird auf

FtM international und auch Seite über erfolgreiche Transmänner (DE) betrachtet.]

 

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Die Seiten über Transgenderismus (DE) und Transsexualismus (DE) haben die Perspektive der Betroffenen geschrieben, die in den USA leben und auch dort ihre Transition vollziehen. Schon immer jedoch waren Transsexualismus und Transgenderismus "international". Oft genug haben Frauen aus aller Welt bei ihrem Versuch, aus der Identitätsfalle zu entkommen, über die Grenzen ihres eigenen Landes geschaut. Gegenüber dem eigenen Land hat jedes andere Land seine Eigenheiten im Umgang mit Transsexuellen, und die Betroffenen entdecken häufig spezifische Vorteile bei der medizinischen Behandlung, den beruflichen Möglichkeiten oder den bürgerlichen Rechten. Damals im Jahr 1968 musste Lynn beispielsweise ihre Ga-OP außerhalb der USA durchführen lassen, weil diese Operationen hierzulande nur selten bewilligt wurden.
 
Jeder Aspekt der Transition und des späteren Lebens wird von der jeweiligen Nationalität und Kultur beeinflusst. Die Unterschiede zwischen einzelnen Staaten hinsichtlich Sitten und Gebräuchen, kultureller Tabus, bei den gesetzlichen und administrativen Regelungen für TG/TS und für die Transition sind riesengroß. Der Einfluss der jeweiligen Nationalität auf die Schwierigkeit einer Transition und das Maß, bis zu dem die Betroffenen in der Gesellschaft akzeptiert werden, gerade auch in bezug auf die Chancen auf ein erfülltes Leben nach der Transition sind enorm.

Menschen mit abweichender Geschlechtsidentiät wurden bislang vor allem in nicht-westlichen Kulturen anerkannt, dies allerdings in sehr unterschiedlichem Maße. Leider führt dort das Bestreben, die westlichen Werte zu imitieren, oft zu einer Unterdrückung oder gar zur Auslöschung der jeweiligen Minderheiten — sogar wenn diese Kulturen nicht politisch oder militärisch vom Westen kolonisiert worden sind. In machen Ländern überlebt noch eine Erinnerung als mündliche Überlieferung, in anderen hingegen konnte die Tradition überleben, vielleicht im Untergrund oder in geographisch abgeschiedenen Regionen, die als rückständig gelten. Jetzt, wo auch die westlichen Kulturen allmählich ihre geschlechtlichen und sexuellen Minderheiten akzeptieren, tauchen diese Gruppen allmählich aus ihrem Schattendasein auf. Bekannte Beispiele sind die Fa'afafine bzw. Mahu aus Polynesien, die Takataapui aus der Kultur der Maori in Neuseeland, die KhAnith und Mukhannath von der Arabischen Halbinsel, die Muxe aus Mexiko und die Two-Spirit der Eingeborenen von Nordamerika (einschließlich der Nadle bei den Navajos und der Winkte bei den Lakotas).  Ein weiteres wichtiges Beispiel sind die Hijra, die in großer Anzahl in Indien und Bangladesh leben (siehe unten). Ganz sicher gibt es noch weitere Beispiele.

Die großen Unterschiede in den Lebensbedingungen für TG und TS selbst unter den westlichen Ländern werden offenbar, wenn man grundlegende Parameter betrachtet wie (i) den Schwierigkeitsgrad des Zugangs zur Transition und der medizinischen Versorgung, (ii) wer die Kosten für diese Leistungen und für die Behandlung trägt, (iii) die sozialen Reaktionen auf dieses Leiden, (iv) den Grad der Anerkennung als Frauen nach der Transition, (v) den rechtlichen Status vor und nach der Transition, (vi) der Freiheit, "ein neues Leben zu beginnen" und (vii) die Beschäftigungsmöglichkeiten vor, während und nach der Transition.
 
USA:
 
In den meisten Kriterien bieten die USA zu Zeit die besten Bedingungen für TG/TS-Transitionen. Allerdings werden zur Zeit die Kosten der Transition nur selten von den Krankenkassen getragen, die meisten Betroffenen müssen sie daher aus eigener Tasche bezahlen. Die guten Beschäftigungsmöglichkeiten in den USA versetzen jedoch viele in dazu die Lage, auch die teuren Behandlungen vor, während und nach der Transition bezahlen zu können. Viele Firmen unterstützen Transitionen "On the Job". In keinem anderen Land gibt es so gute Chancen für Frauen am Arbeitsplatz und auch sonst im Leben, und viele Post-OP-Frauen können hierzulande Karriere machen und ein gutes Leben führen.
 
In den USA gibt es überdies eine lange soziale Tradition des "an einem anderen Ort noch einmal neu Beginnens", die weit zurück bis hin in die Ursprünge der Gesellschaft geht. Die familiären Bindungen sind oft nicht so stark wie anderswo. Statt dessen baut man sich "Ersatzfamilien" aus Freunden von der Arbeit und aus Freizeitbeschäftigungen. Ohne die Einengungen einer tradierten Gesellschaft und wegen der Möglichkeiten, etwas Neues fernab von den Heimatfamilien und -gemeinschaften aufzubauen, fürchtet man sich hierzulande nicht davor, die alten Wurzeln herauszureißen und andernorts neu zu beginnen. Glücklicherweise gewähren die meisten Staaten der USA den Post-OP-Frauen neue Geburtsurkunden, andere Dokumente und volle rechtliche Anerkennung als Frauen — einschließlich der Möglichkeit, Männer zu heiraten. Dies alles ist für die Betroffenen hier ein Riesenvorteil.
 
Darüber hinaus gab es in den USA eine raschen Weiterentwicklung der bürgerlichen Rechte für Transgender und Transsexuelle; mittlerweile werden sie in vielen Städten von Antidiskriminierungsgesetzen geschützt. Andererseits gibt es in der amerikanischen Gesellschaft ein begrenztes, aber immer gegenwärtiges gewaltbereites Element, und die Betroffenen müssen ständig auf der Hut sein und Menschen oder Orten meiden, an denen sie angegriffen und verletzt werden könnten. Dennoch herrscht in den USA größtenteils ein "Leben und Leben lassen" vor, und die Betroffenen sind relativ sicher vor Angriffen.
 
Für gewöhnlich sind die Leute in den USA eigenständiger und auch finanziell unabhängiger als in anderen Gesellschaften. Ein großer Teile der Freiheit, "unser Ding zu machen" besteht darin, dass wir für uns selbst verantwortlich sein müssen und uns nicht darauf verlassen, dass andere für uns sorgen. Menschen, denen es nicht leicht fällt, für sich selbst zu sorgen, und die statt dessen erwarten, dass ihnen andere helfen, dürfen nicht erwarten, dass ihre Transition einfach werden wird. Freiheit ist daher ein doppelseitiges Schwert: man hat die Freiheit, hier erfolgreich zu sein, in einer dafür wunderbar offenen Gesellschaft, aber man hat ebenso die Freiheit, große Fehler zu machen und zu versagen — alles auf eigene Verantwortung.
 
Lateinamerika:
 
Wenn wir uns weiter nach Süden Mexiko und den Ländern Mittel- und Südamerikas zuwenden, sehen wir eine vollkommen andere Situation für TG und TS. In diesen Ländern sich die meisten Männer "Machos", die ihre Männlichkeit als "nicht weiblich sein" definieren — beide Geschlechtsrollen sind dort stärker polarisiert als in den USA. Jeder Mann, der dort auf irgendeine Weise weiblich wirkt, ist dort extremer Lächerlichkeit und Stigmatisierung ausgesetzt. Das führt dazu, dass die meisten TG und TS in Lateinamerika dauerhaft in Furcht und Repression leben, große Angst davor haben, ihre Gefühle zu offenbaren und meist niemals versuchen, diese Konflikte aufzulösen.
 
Gleichzeitig gibt es dort eine lange Tradition sogenannter "Travestis (Shemales)". Die Travestis bilden eine große Subkultur von Transgender-Frauen, die überwiegend in er Sex-Industrie arbeiten, also in der Prostitution, in Strip-Clubs oder Pornographie. Für lange Zeit war dies die wesentliche Perspektive für junge Frauen mit einer Geschlechtsidentitätsabweichung, die von ihren Familien verstoßen worden waren. Wegen des Fehlens von Ausbildung, Papieren und jeder anderen Form sozialer Unterstützung gibt ihnen dies die Mittel für zumindest das wirtschaftliche Überleben an die Hand.
 
Leider sind die Travesti in vielen dieser Gesellschaften und ihrer Römisch-Katholischen Tradition massiv ausgegrenzt, Kirchliche Lehre und Intrigen wiegen so viel mehr als die Gesellschaft. Ohne korrekte Papiere haben die meisten von ihnen keine Chance auf ein reguläres Beschäftigungsverhältnis und bleiben für gewöhnlich dauerhaft im Ghetto der Prostitution. Wie man auf der folgenden Website über "Brasilianische Transsexuelle" (Anm: diese Seite ist pornographisch) sehen kann, sind viele von Ihnen ausgesprochen attraktiv und feminin. Diese gutaussehenden Shemales und Transfrauen können mit Leichtigkeit lüsterne männliche Kunden ansprechen.
 
Das Internet bietet mittlerweile vielen dieser Frauen die Möglichkeit, ihre Kontakte über Escort-Dienste zu knüpfen und auch in der Porno-Industrie Geld zu verdienen und so vom gefährlichen Straßenstrich loszukommen. Trotzdem werden viele von den Behörden und der Polizei schikaniert und schrecklich missbraucht. Sogar die Transsexuellen unter ihnen, die es irgendwie fertigbekommen, eine volle Transition durchzuführen, bekommen für gewöhnlich keine korrekten Papiere und bleiben in den meisten Staaten dauerhaft stigmatisiert. Viele versuchen, nach Europa auszuwandern (manche auch in die USA), wo sie eventuell eine Chance auf ein besseres Leben haben könnten — sei es als Shemale oder durch eine vollständige Transition.

Bis zu einem gewissen Grad ist Brasilien diesbezüglich eine Ausnahme in Lateinamerika. Seit einigen Jahren gelingt es manchen gutaussehenden Brasilianischen Transfrauen, beachtliche Karrieren in der Unterhaltungsindustrie aufzubauen, manche, wie Roberta Close  bekommen sogar den Status nationaler Ikonen. Allerdings setzt sich auch in Brasilien das unabhängige Konzept des Transsexualismus nur langsam durch, und so gut wie immer gelten diese Frauen auch nach einer vollständigen Transition als Travestis.

Als Roberta Close 1989 in Europa ihre geschlechtsangleichende Operation vornehmen ließ, führte das zu einer deutlichen Verstärkung des öffentlichen Bewusstseins für Transsexualität, besonders als eine Kontroverse aufkam, weil die Regierung die Änderung ihres Personenstandes verweigerte. Schließlich wurde im Jahr 1998 ein öffentlich gefördertes Programm aufgesetzt, das "versuchsweise" einer begrenzten Zahl von MzF-Transsexuellen Therapie und geschlechtsangleichende Maßnahmen zukommen ließ. In der Folge führte die wachsende Zahl von Post-OP-Frauen zu einer verbesserten Akzeptanz dieser Form der Geschlechtsidentitätsabweichung. Daraufhin änderte die Regierung ihre rigide Haltung in bezug auf die Anpassung von Namen und Geschlecht in den offiziellen Dokumenten, und Roberta konnte ein Jahr 2005 endlich ihren rechtlichen Status ändern.

 

In den 90ern kamen in Brasilien außerdem Crossdresser als weitere, unabhängige Gruppe von Menschen mit Geschlechtsidentitätsabweichung auf. Auch sie wären vorher automatisch mit Travestis gleichgesetzt worden. Manche brasilianischen Crossdresser-GGruppen sind im Internet präsent und organisieren in den Großstädten größere Events, in vieler Hinsicht ähnlich zu dem, was in den USA geschieht. Darüber hinaus gehen die unterschiedlichen Gruppen Betroffener Allianzen mit schwullesbischen Aktivistengruppen ein. Mittlerweile gibt es erste Anzeichen, dass in anderen Staaten Lateinamerikas ähnliche Entwicklungen einsetzen.

Westeuropa:
 
Ganz anders als in Lateinamerika sind manche europäische Staaten gute Orte für Transitionen. Besonders in den Niederlanden und in den skandinavischen Ländern werden Transitionen unterstützt. Auch Spanien, wo kürzlich gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert wurden, hat sich auch gegenüber Transitionen geöffnet, und in gewissem Umfang werden sogar öffentlich finanzierte geschlechtsangleichende Maßnahmen angeboten. Auch in einigen anderen europäische Staaten werden die geschlechtsangleichenden Maßnahmen (sowohl MzF als auch FzM) von der öffentlichen Gesundheitsversorgung abgedeckt. In manchen dieser Staaten müssen jedoch bei der Behandlung langwierige bürokratische Hindernisse überwunden werden. Daher reisen viele Europäische Frauen nach Thailand, um sich dort operieren zu lassen. In den meisten Europäischen Staaten können Frauen nach der Angleichung vollständig als Frauen legalisiert leben, einschließlich des Rechts, Männer zu heiraten. Leider jedoch sind die beruflichen Perspektiven in Europa lange nicht so gut wie in den USA. Weiteres über Transitionen in Europa findet sich auf der Seite "European TS" (Anm. d. Übers.: anscheinend nicht mehr gepflegt (apparently unmaintained)).
Auch in Großbritannien ist das Umfeld für eine Transition gut. Der National Health Plan gewährt die komplette medizinische Versorgung, auch die Kostenübernahme für die Operationen, und die britische Gesellschaft ist gegenüber Transsexuellen verhältnismäßig offen. Bis zum Jahr 2004 jedoch verhinderte ein alter juristischer Präzedenzfall, dass die Betroffenen auch nach der operativen Angleichung vollständig in ihrem neuen Geschlecht anerkannt wurden. Sie konnten keine neuen Geburtsurkunden erhalten und mussten sich jedesmal gegenüber den Behörden und bei jedem Arbeitgeberwechsel offenbaren. Schlimmer noch, sie konnten nicht in ihrem neuen Geschlecht heiraten. Auf Druck der britischen Trans-Aktivisten-Gruppen (besonders "Press for Change") und besonders seitens der EU überarbeitete Großbritannien seine archaischen Gesetzgebung zum Gender Recognition Bill of 2004 und erkennt mittlerweile Transfrauen und -männer nach ihrer Transition entsprechend ihrem korrekten Geschlecht. Weitere Informationen über die Situation für TG/TS in Großbritannien finden sich auf den Webseiten vieler britischer Frauen auf Lynn's TS Successes webpage (DE) sowie auf den Seiten von Press for Change .

In der Schweiz wird die Ga-OP von den Krankenversicherungen getragen, sofern die Betroffenen mindestens 25 Jahre alt ist, sich in einem öffentlichen Hospital operieren lassen, wenn die Indikation eines Psychiaters vorlegen kann, und die Betroffenen seit mindestens zwei Jahren in Behandlung sind. Wenn die Betroffenen unverheiratet sind, können in einem vereinfachten Gerichtsverfahren Namen und Personenstand geändert werden. Große Probleme bestehen darin, einen Psychiater zu finden der bereit ist, zu helfen, außerdem, dass FzM-Operationen ausschließlich außerhalb der öffentlichen Hospitäler durchgeführt werden (und die Krankenkassen dementsprechend die Kostenübernahme verweigern), und dass die Kassen sich sehr wahrscheinlich weigern dürften, die Kosten für frühe Transitionen zu tragen. Transgendern ist es nicht möglich, ihre offiziellen Dokumente ändern zu lassen. Darüber hinaus verweigert die Regierung gegenwärtig, auch verheirateten Betroffenen zu einer passenden Identität zu verhelfen. Das wird sich im Laufe der nächsten Jahre nach entsprechenden Gerichtsurteilen vermutlich verbessern. Die berufliche Lage der Betroffenen ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Manchen gelingt es, auch Spitzenpositionen über ihren Transition hinaus zu erhalten, manchen gelingt sogar der Aufstieg. Dabei ist die vorherrschende Mentalität, die das Privatleben respektiert, für die Betroffenen ausgesprochen hilfreich, ihren Transition erfolgreich zu bewältigen (diese Informationen stammen von Marie-Noëlle).

Australien:
 
In Australien wächst die Unterstützung für das Wechseln der Geschlechtsrolle. Viele der Leute dort sind freundlich und haben ähnlich wie in den USA eine Grundhaltung des "Leben und Leben lassens" (zumindest in den größeren Städten). daher können viele Betroffene vor und nach der Transition eine vernünftige Arbeit finden und die Operationen im nahegelegenen Thailand bezahlen. Viele Australier sind über das Internet gut vernetzt und so von dem Zugang zu Informationen profitieren. Mehr über Australien kann man aus den Webseiten der zahlreichen Australischen Frauen auf Lynns Seite über erfolgreiche transsexuelle Frauen (DE) erfahren.
Rußland und Osteuropa:
 
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Entwicklung offenerer Gesellschaften in Rußland und den Osteuropäischen Ländern können wir auf einige wenige erfolgreiche Transitionen dort blicken. Nach wie vor sind Transitionen in Osteuropa sehr viel schwieriger als in Westeuropa — die Bürokratie ist schlimmer und es ist nur schwer möglich, die Indikationen für die Behandlung zu erlangen. Dafür wird die Behandlung jedoch oft von den staatlichen Gesundheitsversorgungsystemen getragen, und manche Frauen aus diesen Ländern (ebenso auch Männer) können von erfolgreichen Transitionen berichten. Diese Entwicklung stimmt hoffnungsvoll, sie sollte sich in dem Maße beschleunigen, in den diese Gesellschaften weiter "verwestlichen". Die Webseiten von Lena (Kiev, Ukraine) und Iva (Czech Republic) gewähren tieferen Einblick in die Transition in diesen Ländern.
 
Asien und Mittlerer Osten:
 
In den asiatischen Kulturen sind die jeweiligen Situationen sehr unterschiedlich. In China geht man neuerdings dazu über, Transitionen zuzulassen, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Gemessen an der Einwohnerzahl sind das ganz wenige, aber die Frauen dürfen nach dem Wechsel auch Männer heiraten. Japan ist diesbezüglich weitaus rückständiger, besonders, weil in der dortigen Kultur großer Wert auf Konformität gelegt wird und alle ausgrenzt werden, die sich "außerhalb der Norm bewegen". Dennoch haben es manche besonders stark betroffene Frauen sogar dort irgendwie geschafft, den Wechsel zu vollziehen. Für gewöhnlich reisen sie zu ihren Operationen nach Thailand und versuchen daraufhin ihr Glück, daheim irgendwie zu überleben. Ganz allmählich wendet sich auch in manchen dieser tradierten Gesellschaften die öffentliche Meinung zum Besseren — Folge der spektakulären Transitionen einiger weniger besonders attraktiver Post-OP-Frauen wie zum Beispiel Harisu — einer wunderschönen jungen Frau aus Südkorea, die dort eine bekannte Schauspielerin ist.
 
Ganz im Gegensatz dazu gibt es in Thailand eine lange Tradition der "Kathoey", die dort als Bardamen und als Unterhaltungsdamen arbeiten. Dort gelingt vielen TG/TS-Frauen die Transition bereits in jungen Jahren, vielen sogar bereits die Ga-OP — die ist dort einfach zugängig und preiswert. Trotz ihrer Akzeptanz in der thailändischen Gesellschaft werden sie nicht als Frauen anerkannt und können keine Papiere als Frauen erhalten. Daher verbleiben sehr viele Kathoey selbst nachdem sie Frauen geworden sind am Rande der Gesellschaft als Bardamen und Prostituierte. Demzufolge ist das Geschäft mit dem Sex in Thailand weithin bekannt für einen sehr großen Anteil sehr gut aussehender "Shemales" und Transfrauen. Um diesem auf Sexarbeit und Unterhaltung limitierten Leben zu entfliehen, versuchen viele thailändische Post-OP-Frauen, Arbeit oder Partner im Ausland zu finden. Viele wandern in Länder wie Deutschland aus, wo man weiß, dass sie wunderbare Ehefrauen sind und wo sie auch vollständig als Frauen akzeptiert werden.
 
Weiteres und tiefergehendes Material über die große Bandbreite der Lebensmöglichkeiten der TG/TS aus den asiatischen Ländern finden sich in den Seiten "Transgender Asia", die von Prof. Sam Winter gepflegt wird, der an der Universität Hong Kong lehrt.
 
In Indien ist die Situation wiederum komplett anders. In der dortigen Gesellschaft ist seit Alters her ein auch körperlicher Geschlechtrollenwechsel als Ausweg für transsexuelle Frauen etabliert. Durch eine vollständige Entmannung im Teenager-Alter können sie zur "Hijra" werden und sich danach der Hijra-Kaste anschließen. Obwohl sie keine vollständigen Frauen sind — sowohl die Brüste als auch die Vagina fehlen — können sie der Maskulinisierung entkommen und ihr Leben als Frauen leben. Diese altertümliche Methode zum Lösen des transsexuellen Leidensdrucks ist in Indien weit verbreitet. Dort leben mindestens eine Million Hijra (einer von 400 Jungen wird zur Hijra). In einem Land, in dem viele Menschen in großer Armut leben, ist dies eine praktikabler Ausweg für alle Menschen mit stark ausgeprägter Transsexualität. In den letzten Jahren hat die Regierung damit begonnen, manche von ihnen mit Hormonen zu versorgen, damit sie feminisieren, dadurch mehr wie Frauen aussehen und somit in der Gesellschaft besser akzeptiert werden. Der Preis, den Hijras in Indien zahlen müssen, ist insofern hoch, als dass sie ein Leben lang zwischen den Geschlechtern in dieser niedrigen und gering angesehenen Kaste verbleiben müssen und im wesentlichen vom Betteln und von der Prostitution leben. Erst seit kurzem haben die Hijra Kontakt zu westlichen Transfrauen und erfahren von den westlichen Methoden einer Transition. Sofern sie Wege zur Finanzierung finden, werden daher in Zukunft auch unter den Hijras verstärkt Hormontherapie und sogar vollständige Angleichungen aufkommen. (Mehr über die Hijra auf Lynn's Seiten über Transsexualism (DE) und ihre Seiten über die Ga-OP (DE)).
Auch in den säkularen muslimischen Staaten Pakistan und Bangladesh leben viele Hijras. Von dort kam diese Tradition vor langer Zeit auch her. Die Lage der Hijras ist dort ist ähnlich, tendenziell aber schlechter als in Indien, und die allermeisten Hijras verbringen eine marginalisierte Existenz auf dem Straßenstrich oder als Bettler.
 
In anderen säkularen muslimischen Staaten wie Türkei, Indonesien oder Malaysia ist die Lage für die Transfrauen vergleichbar zu der Situation im vom Katholizismus dominierten Lateinamerika. Dort nehmen viel Frauen eine soziale Transition vor. In der Folge verlieren sie jedoch ihre Identität, werden am Arbeitsmarkt unvermittelbar und sind gezwungen in Ghettos zu leben. Für gewöhnlich müssen sie in die Prostitution ausweichen oder betteln, nur um überleben zu können. Obwohl es manchen gelingt, ihre Körper mit weiblichen Hormonen anzugleichen, schaffen nur sehr wenige eine vollständige Transition. Selbst dann jedoch werden sie nicht als Frauen anerkannt und verbleiben ohne Beschäftigungsmöglichkeit am Rande der Gesellschaft.
 
Am schlimmsten ist die Situation für Transgender und Transsexuelle in der islamistischen Welt. Dort wird jegliche Abweichung der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität mit äußerster Brutalität und Grausamkeit sanktioniert. In zahlreichen streng muslimischen Ländern, vor allem in Saudi Arabien, werden homosexuelle Männer und Frauen regelmäßig wegen ihrer Homosexualität hingerichtet. Wie man sich daher vorstellen kann, gibt es für die Transgender und Transsexuellen dieser Länder keinerlei Perspektive. Es ist schlicht und einfach nicht vorstellbar, dass in einem derartigen mittelalterlichen, religiös dominierten und unglaublich brutalen Umfeld Transitionen ohne äußerste Gefahr für Leib und Leben möglich sein können.

Auch in der islamistischen Welt gibt es jedoch Ausnahmen. Die augenfälligste ist der Iran, in dem es soziale und medizinischen Hilfe für die Betroffenen gibt, ebenso offizielle Anerkennung des neuen Geschlechts. In jüngerer Zeit wurde diese Praxis, die auf einer befürwortenden Regelung von Ayatollah Khomeini fußt, im Stillen sogar ausgedehnt. (Gleichgeschlechtlicher Beziehungen werden im Iran jedoch brutal unterdrückt, und es werden viele junge homosexuelle Männer hingerichtet). 

Der weltweite Einfluss des Internet:
Glücklicherweise hilft das Internet vielen Transgendern und Transsexuellen, sich der Situation in anderen Ländern mehr und mehr bewusst zu werden. Dies hilft vielen Frauen aus Ländern, in denen eine Transition schwierig oder unmöglich ist, nach Wegen aus der Falle zu suchen, in der sie sich befinden. Viele andere nutzen die Unterschiede zwischen den Ländern bei ihrer medizinischen Behandlung sehr gezielt, aber auch hinsichtlich Arbeitsmöglichkeiten, Partnersuche und einer langfristigen Lebensperspektive.
So versuchen beispielsweise viele Transgender und Transsexuelle aus weniger toleranten Ländern — wie z.B. aus Lateinamerika — nach Europa oder in die USA zu emigrieren. Sehr viele Transfrauen ziehen Erkundigungen über Chirurgen aus aller Welt ein, bevor sie eine Entscheidung über kritische Behandlungen wie die Ga-OP treffen. Unterschiede in Kosten und Qualität der medizinischen Versorgung, besonders bei den Kosten der Operationen, führen viele dazu, aus teuren Ländern wie den USA in Länder wie Thailand zu reisen. Unterschiede in der rechtlichen Anerkennung nach der Ga-OP hingegen bringt viele Frauen aus Ländern wie Thailand oder den lateinamerikanischen Staaten dazu, zu versuchen, nach Europa zu emigrieren — oft durch Heirat mit europäischen Männern.
 
Einemvertieften Überblick über all dies erhält man aus den einzelnen Darstellungen in Lynn's TS Women's Successes webpage (DE) die Frauen aus aller Welt umfasst.
 
Bei genauerem Hinsehen erkennen wir, dass sich die älteren, traditionellen, post-kolonialistischen, mittelalterlichen und Dritte-Welt-Gesellschaften die Transfrauen genauso schlecht behandeln wie JEDE andere Frau, der ihre Rechte vorbehalten werden. In traditionellen und mittelalterlichen Gesellschaften wird eine junge Frau ohne Rückhalt in der Familie oder andere finanzielle Mittel zur Ausgestoßenen. Ihr bleiben dann für gewöhnlich nur zwei Optionen zum Überleben: sie kann in die Prostitution oder aber betteln gehen.
 
Wenn wir dann allerdings unseren Blick in fortschrittlicheren Länder werfen, erkennen wir zunehmend bessere Bedingungen für Transitionen, ohne dass die Betroffenen bei diesem Prozess ghettoisiert oder an den Rand gedrängt werden. In den am weitesten fortgeschrittenen Ländern verbessern sich die Beschäftigungsmöglichkeiten zusehends und erlauben sogar ein normales Leben als Frauen. Hoffentlich werden sich die zahlreichen Verbesserungen, die gegenwärting in den fortschrittlichen Ländern gemacht werden, unter dem Einfluss der modernen Kommunikationsmöglichkeiten zu Rollenmodellen für rasche Verbesserungen in den weniger entwickelten Ländern entwickeln.
 
 
Links zu ergänzenden Informationen: 

1.  "Links to International Support and Information Sites," LynnConway.com

 

2.  "Geschichte und Nachweis der Transsexualität in verschiedenen Kulturen" (DE) von Lynn Conway

 

3.  "Vaginoplastik: Operativ aufgebaute Vagina bei Mann zu Frau Transsexualität - Historischer Hintergrund," (DE) von Lynn Conway

 

4.  "TransgenderAsia", by Sam Winter.

 

5.  TransGender Europe (TGEU)

 

 


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