Michigan Daily

Was bedeutet schon ein Name? Eine ganze Menge, sagt ein transsexueller Student
Von Laura Frank, Michigan Daily, Reporter am Michigan Daily
6. Dezember 2005

Ins Deutsche übersetzt von Beate R.

Redigiert von Jane Thomas

 

Für Sebastián Colón ist der Vorlesungsbeginn immer schrecklich.

Colón, im letzten Studienjahr an der Schule für Sozialarbeit, ist transsexuell. Er legt Wert auf seinen männlichen Namen Sebastián, keineswegs aber auf seinen offiziellen weiblichen Namen — aber er weiß nie im voraus, wie er zu Beginn eines Kurses angeredet werden wird, oder ob seine Dozenten und Kommilitonen überhaupt Verständnis für seine Situation aufbringen.

Selbst wenn zu Beginn noch alles gut liefe, fürchte er permanent, dass seine Kommilitonen seinen weiblichen Namen herausbekämen und diesen dann auch verwendeten, sagt Colón, eine Situation, die ihm nicht nur großes Unbehagen bereite, sondern manchmal auch um seine Sicherheit fürchten ließe.

Bisher erführen die Studenten von seinem offiziellen Namen über das Namensverzeichnis der Hochschule, oder sie bemerkten ihn, sobald Colón in CTools Aufsätze veröffentlicht oder sich an der Diskussion beteiligt hätte.

Colón berichtet, dass ihm auf seine Bitte an die Administratoren von CTools hin mitgeteilt worden sei, dass das es nicht möglich sei, seinen bevorzugten männlichen Namen anstatt seines offiziellen weiblichen Namens in den öffentlichen Verzeichnissen der Universität erscheinen zu lassen.

"Es sollte doch meine Sache sein, welchen Namen ich privat verwende," sagt Colón, fügt jedoch hinzu, dass er einsehe, dass wichtige Informationen wie seine Bewerbung an der Hochschule und die Daten über seine finanzielle Unterstützung unter seinem offiziellen Namen geführt werden müssten.

Nach Auskunft von Kelly Cunningham, der Sprecherin der Hochschule, können Studenten ihre Namen in CTools erst nach einer offiziellen Vornamensänderung ändern. Sie müssten dazu den Leiter der Registrierungsstelle über den Namenswechsel informieren..

Colón betont dagegen, dass die Änderung des offiziellen Namens für viele Transgender eine ganz besondere persönliche Entscheidung sei, die viele, möglicherweise auch ungewollte, Konsequenzen mit sich brächte.

Der Begriff Transgender beschreibt Individuen, die ihre Persönlichkeit auf mannigfaltige Weise nicht entsprechend ihrem Geburtsgeschlecht entsprechend entfalten.

Colón sagt, es gäbe "Millionen von Gründen, derentwegen Transgender ein Pseudonym der Änderung des offiziellen Namens vorzögen."

Für manche Studenten könne es beispielsweise wichtig sein, dass ihre neue Identität zwar in der Hochschule anerkannt würde, aber noch nicht zu Hause. Manchmal müssten sie sogar innerhalb ihrer Familien den einen Namen verwenden und in der Schule den anderen Namen. Andere hätten sentimentale oder berufliche Gründe, ihren alten Namen beizubehalten.

Für Colón ist sein offizieller Name verknüpft mit seinen Wurzeln in Puerto Rico und Austin, Texas und zu seiner langen Vorgeschichte als Aktivistin, während der er sich als weiblich definierte. Innerhalb dieser Gemeinschaften empfinde er es nach wie vor als passend, mit seinem alten Namen angesprochen zu werden.

"Vermutlich bin ich in meiner Entwicklung noch nicht weit genug fortgeschritten, um meinen Namen offiziell zu ändern, aber dennoch bin ich so weit, meinen neuen Namen hier in der Öffentlichkeit zu führen," sagt Colón. "Dies ist ein neuer Abschnitt meines Lebens," fügt er hinzu.

Seinem letzten Arbeitgeber sei es möglich gewesen, seiner Lage dadurch gerecht zu werden, dass zwar sein Arbeitsvertrag und seine Gehaltsabrechnung noch unter seinem offiziellen Namen geführt worden seien, aber auf allen öffentlich sichtbaren Dokumenten bereits sein bevorzugter männlicher Name erschiene.

Bei den Gesundheitsdiensten der Universität und dem Amt für finanzielle Unterstützung sei man seiner Bitte in dieser Form nachgekommen. Als er diese Stellen darüber informiert habe, fortan unter dem Namen Sebastián geführt zu werden, seien an beiden Stellen entsprechende Vermerke zu seinen Unterlagen genommen und von da an ausschließlich dieser Name verwendet worden, obwohl seine Daten nach wie vor unter seinem offiziellen Namen geführt worden seien.

"Die Universität bemüht sich," sagt Colón. "Ich glaube das. Ich habe mich dazu entschlossen, es zu glauben." Dennoch sei das Unbehagen daran, dass sein offizieller Name online für alle seine Kommilitonen und Dozenten sichtbar ist, manchmal nervenaufreibend und belastend.

Entsprechend einem Bericht der Arbeitsgruppe für Namensänderungen der "Task Force für den Umgang mit Transgendern, Bisexuellen, Lesben and Gays in Lehrkörper, nichtakademischen Mitarbeitern und Studenten der Provost Universität" ist es bei der zur Zeit verwendeten Software nicht möglich, Pseudonyme zu verwenden, aber es gäbe durchaus Möglichkeiten, dies zu umgehen.

So könnte in CTools beispielsweise ein zusätzlicher Nickname vergeben werden; es könne auch ein "befreundeter" Account eingerichtet werden. Dies bedürfe jedoch der Zustimmung einzelner Entscheider; es sei auch möglich, Einträge im Verzeichnis als Privat zu kennzeichnen, so dass nur noch die Email-Adresse sichtbar sei; auch das Anlegen einer Mail-Gruppe unter dem neuen Namen sei möglich.

"Das alles ist zwar nicht perfekt, aber es ist machbar," sagt Cunningham. "doch wird noch längst nicht alles sein."
Eines Tages werden die Hochschulangehörigen die Möglichkeit erhalten, ein Pseudonym oder einen Künstlernamen in die Datenbanken der Universität einzutragen. Aufgrund der momentanen technischen Situation sei dies jedoch kurzfristig nicht umsetzbar.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt, die Software "Wolverine Access" dahingehend zu erweitern, dass es Studenten und Mitarbeitern möglich sei, Pseudonyme anzulegen, die in den Verzeichnissen online sichtbar wären. Dies würde voraussichtlich Kosten von 96.700 $ verursachen.

Die Schule für Sozialarbeit habe mit ihren IT-Verantwortlichen auch die Möglichkeit der Verwendung nicht-offizieller Namen innerhalb von CTools diskutiert, doch dies habe sich als nicht machbar erwiesen, so Richard Tolman, Prodekan der Hochschule für Sozialarbeit.

Inzwischen bemühe sich die Hochschule, die Schwierigkeiten der Transgender dadurch zu reduzieren, dass, sobald jemand wünsche, einen anderen als den offiziell geführten Namen zu verwende, die Dozenten vor dem jeweiligen Kursbeginn darauf aufmerksam gemacht und gebeten würden, an Stelle von CTools Mailinglisten zur Diskussion zu verwenden.

"Das ist zwar nicht perfekt, aber es ist unser Ansatz, das Problem zu umgehen," sagt Tolman. Trotz dieser Maßnahmen gebe es immer wieder Probleme. Weil Colón gezwungen sei, seine Beiträge in CTools unter seinem offiziellen Namen zu veröffentlichen, seien viele seiner Kommilitonen unsicher, wie sie ihn anreden sollten. Einmal sei die Verwirrung so groß geworden, dass Colón sich zu einem unangenehmen Vortrag gezwungen gesehen habe, in dem er dem gesamten Kurs gegenüber seine abweichende Geschlechtsidentität und seinen Wunsch, mit seinem männlichen Namen angeredet zu werden, darlegen musste.

Colón weist auch darauf hin, dass sich zwar die Dozenten dieses Semesters außerordentlich hilfsbereit gezeigt und seinen neuen Namen konsequent verwendet hätten, er aber dennoch fürchte, dass er eines Tages jemandem begegne, der kein Verständnis für seine Situation aufbrächte..

"Meine Dozenten sind cool geblieben, aber was, wenn sie es mal nicht sind?" sagt Colón — "Wer bin ich denn, um dann aufmucken zu können?"
Tolman, Prodekan der Schule, betont, dass es für ihn wichtig sei, ein für Transgender angenehmes Hochschulklima zu erhalten.

"(Für uns als Sozialarbeiter) ist das etwas, worin von uns Exzellenz erwartet wird," betont Tolman. "Sozialarbeiter sind die Leute, von denen erwartet wird, dass sie Barrieren niederreißen."

Nach der Veröffentlichung des Berichts der Task Force von Provost rief die Schule für Sozialarbeit ihre eigene Task Force ins Leben, um die Schwierigkeiten für die Transgender unter ihren Studenten zu untersuchen. Dabei kam laut Tolman vor allem die Notwendigkeit zu Tage, Fakultätsmitglieder und Studenten besser über die LGBT-Thematik zu informieren. Bis zu einer wirklich wohlwollenden Grundeinstellung aller Beteiligter sei es allerdings noch ein weiter Weg, für den es Jahre bräuchte.

"Dazu wird noch eine Menge Energie und Engagement nötig sein," führt Tolman aus.
Der Kampf, in Zukunft einmal ein Pseudonym in den öffentlicher Verzeichnissen der Hochschule gebrauchen zu können, habe in der Tat eine Menge Kraft gekostet, betont Colón.
"Es war schrecklich und schwierig, einfach der helle Wahnsinn. Ich bin ausgebrannt. Es ist einfach zu viel... dabei soll ich doch eigentlich studieren."

Colón befürchtet, dass es besonders für jüngere Studenten, die sich gerade zu ihrer abweichenden Geschlechtsidentiät stellen, ein unüberwindliches Hindernis sein könnte, wenn der Prozess für die Namensänderung weiterhin so unflexibel bliebe wie bisher.

Wenn es schon für ihn als Graduiertenstudent mit jahrelanger Erfahrung als Aktivistin schon so qualvoll und schwierig gewesen sei, fragt Colón "Wie muss das erst für einen Studienanfänger sein? Oder für jemanden, der sein Coming Out noch vor sich hat? ... Wir brauchen Unterstützung und keine Hindernisse."

Namen seien ein wesentlicher Bestandteil der Identität, so Colón. Die Hochschule bemühe sich zwar um Transgenderfreundlichkeit, es müsse aber noch viel mehr geschehen.

Sein Aufruf an die Verwaltung: "Ich weiß ja, dass Ihr dran arbeitet, aber es ist wirklich dringend."

 

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