Transidentität und Intersexualität/

Grundlagen

 

von Lynn Conway

http://www.lynnconway.com/

Copyright @ 2000-2004, Lynn Conway.

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Teil I:

Geschlechtszugehörigkeit

& Transgenderismus

(Englisch)

Ins Deutsche übersetzt
von Vivian Silver, M.D., Ph.D.

 

 Foto von Lynn und ihrem Partner (jetzt Ehemann) Charlie, Spätsommer 2000.

 

 

Wir wissen aus Lynns Geschichte (deutsch) , dass sie als Junge geboren worden und als solcher aufgewachsen ist und später durch Hormontherapie und chirurgische Maßnahmen eine Frau wurde. Deswegen wird Lynn auch manchmal als “TransFrau” bezeichnet. Warum ist das geschehen und was ist “Transidentität” überhaupt?

 

Um das zu verstehen müssen wir zunächst einige grundsätzliche Fragen beantworten. Was ist Geschlechtsidentität? Wie entsteht sie? Welche natürlichen Einflüsse spielen dabei eine Rolle? Auf dieser Seite sollen diese Fragen beantwortet werden. Außerdem gibt es Links zu weiteren Informationen über Geschlechtsidentität, Transgenderismus, Transidentität und Intersexualität sowie zu Informationen hinsichtlich der Methoden der körperlichen Geschlechtsanpassung.

 

Das Wissen auf diesem Gebiet entwickelt sich schnell. Definitionen, Abgrenzungen und Bezeichnungen der unterschiedlichen Phänomene müssen gefunden werden. Schätzungen der Häufigkeit werden angestellt. Es gibt auch unterschiedliche Standpunkte im Bereich der Grundlagenwissenschaft und verschiedene Behandlungsempfehlungen.

 

Heutzutage weiß man wesentlich mehr über Geschlechtsidentität als noch vor wenigen Jahren. Es ist wichtig, das neue Verständnis weiterzuvermitteln. Wir können offen und ohne Furcht, Scham oder Verlegenheit darüber sprechen. Das Tabu auf diesem Gebiet existiert nicht mehr.

 

Weitaus mehr Menschen leiden an abweichender Geschlechtsidentität als bisher angenommen. Millionen sind davon betroffen. Um die Lebensqualität dieser Menschen zu verbessern muss das Wissen auf diesem Gebiet vermehrt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, das Verständnis für die Problematik weiter zu verbreiten.

 

 

 

 

Teil I: Geschlechtszugehörigkeit & Trangenderismus

Teil Ia: (TG Fortsetzung)

Teil II: Transidentität (MzF)

Teil III: Leben als Frau nach der Geschlechtsangleichung

 

 

 

 

Zusätzliche Webseiten:

 

 Informationen für Transfrauen

 Erfolgreiche Transfrauen (de)

 Operative Feminisierung desGesichtes (FFS)(de)

 Transgenderismus Info- Links

 Erfolgreiche Transmänner

 Operative Geschlechtsangleichung

 

 

 

 


 

 

Teil I - Inhalt:

 

Geschlechtszugehörigkeit/ Grundlagen

 Welche Einflüsse hat unsere Entwicklung zum Jungen oder zum Mädchen? Was bestimmt unsere  Geschlechtsidentität?

 Intersexualität – einschließlich “Intersex Babys”, dessen Geschlecht bei der Geburt nicht eindeutig ist.

 Die chirurgische Korrektur der Genitalien bei intersexuellen Kindern, um sie “normal” zu machen.

 Wie diese “Korrekturen” belegen, dass alte Theorien zur Entstehung der Geschlechtsidentität falsch waren

 Was wir von Intersexuellen über Geschlechtsidentität wissen.

 Die Hypothese, dass soziale Einflüsse die Geschlechtsidentität bestimmen, wurde widerlegt.

 Die Hypothese, dass vor der Geburt entstandene Strukturen des Gehirns und des ZNS das Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit bestimmen

 

 TRANSGENDERISMUS:

 Einleitung

 Beratung und Therapie von Transgendern (TG) und transidenten Frauen (TI)

 Was oft mit Transgenderismus und Transidentität durcheinander gebracht wird

 Schwule, Drag Queens, Transvestiten (TV)/ Crossdresser (CD). Autogynäphile und Andere

 Wieso sind manche Leute so feindselig gegenüber Transgendern?

 Geschlecht und Partnervorliebe.

 Geschlechtsspezifische Gefühle und Verhaltensweisen.

 Teil Ia:

Differenzierung zwischen Transgenderismus und Transidentität.

 Diskriminierung von Schwulen und Transgendern und Gewaltverbrechen.

 Ablehnung gegen Transgender, oft auch durch Schwule, Lesben und Feministinnen (und wie sich diese Haltung heute ändert).

 Transgender- Kinder, die weglaufen oder verstoßen werden.

 Transgender- Kinder, denen ihre Familien helfen.

 Obwohl manche Transgender- Kinder von ihren Familien akzeptiert werden, stehen sie vielen Gefahren gegenüber.

 Verwirklichung der Menschenrechte für Transgender.

 Unterschiedliche Situationen von Transgendern und Transidenten in verschiedenen Ländern.

 Die Macht des Internets bei der Hilfe für Transgender und Transidenten.

 Hoffnungen für die Zukunft.

 

 

 

 


 

 

 

Geschlechtszugehörigkeit/ Grundlagen:

 

 

Die Geschlechtszugehörigkeit ist der wichtigste Bestandteil der menschlichen Identität. Die erste Frage, die bei der Geburt eines Kindes gestellt wird ist: “Ist es ein Junge oder ein Mädchen?”

 

Die meisten Leute denken aber nie über ihr Geschlecht nach, obwohl es so bedeutend ist. Sie haben sich nie dafür interessiert, was ihr Gefühl, ein Junge oder ein Mädchen zu sein verursacht hat. Stattdessen nehmen sie ihr Geschlecht als gegeben hin, wie die Luft zum Atmen, weil ihre Geschlechtsidentität nicht vom körperlichen Geschlecht abweicht. Zweifellos ist es ein Privileg, von Geburt an ein Geschlecht zu haben.

 

Die Volksweisheit sagt, dass Kinder entweder Jungen sind, die zu Männern werden oder Mädchen, die zu Frauen werden. Es gibt nur diese zwei Möglichkeiten und du bist entweder das Eine oder das Andere. Das kann man ja an den Genitalien bei der Geburt sehen und das war’s dann. Wie wir aber sehen werden, ist die Wirklichkeit nicht so einfach.

 

 

Was macht uns zum Jungen oder zum Mädchen? Was bestimmt unsere Geschlechtsidentität?

 

Während der frühen Schwangerschaft entwickelt sich ein Fetus mit männlichen Genen (auf den Y- Chromosomen) gewöhnlich in einen Jungen mit männlichen Genitalien. Wenn weibliche Gene vorhanden sind (nur X- Chromosomen und keine Y- Chromosomen) entwickelt sich ein Mädchen mit weiblichen Genitalien. Das geschieht in über 99% der Fälle. Ärzte und Eltern betrachten die Genitalien des Babys nach der Geburt und erklären es ganz einfach zum Jungen oder zum Mädchen.

 

Die Jungen haben im Allgemeinen eine männliche Geschlechtsidentität und werden Männer, während die Mädchen eine weibliche Geschlechtsidentität haben und Frauen werden. Auch das scheint wiederum ganz klar zu sein.

 

Auch bei den 5% aller Männer und Frauen, die schwul bzw. lesbisch werden und gleichgeschlechtliche Partner suchen, entspricht die Geschlechtsidentität überwiegend dem körperlichen Geschlecht.

 

 

Intersexualität – einschließlich “Intersex Babys”, dessen Geschlecht bei der Geburt nicht eindeutig ist

 

Die meisten Kinder kommen zwar mit normalen äußeren Genitalien zur Welt, es gibt aber auch Kinder, bei denen die Genitalien nicht eindeutig sind und bei denen selbst Ärzte sich nicht sicher sein können, ob es sich um männliche oder weibliche Genitalien handelt. Bei manchen Kindern sehen die Genitalien zwar eindeutig aus, weisen aber auf ein anderes Geschlecht hin als das, welches hinsichtlich der Chromosomen vorliegt. Es gibt auch Kinder, die nicht die Geschlechtschromosomenkombination XX oder XY haben und bei denen die vorliegende Geschlechtsidentität und das Geschlecht, in dessen Richtung sie sich entwickeln werden, nicht vorhersehbar sind. Kinder, die solche genitalen und/ oder genetischen Variationen haben werden “intersexuell” genannt. Die Häufigkeit intersexueller Babys liegt bei 1 zu 1000.

 

Bei einer von 13000 Geburten spricht z.B. ein XY (genetisch männlicher) Fetus nicht auf Testosteron (das männliche Geschlechtshormon) an und entwickelt weibliche äußere Genitalien, hat aber keine inneren weiblichen Geschlechtsorgane. Diese XY- Kinder mit testikulärer Feminisierung werden einfach zu Mädchen erklärt und als solche aufgezogen. Sie können zwar keine Kinder bekommen, werden aber oft attraktive Frauen mit weiblicher Geschlechtsidentität. Es wird behauptet, dass viele Models XY- Frauen sind.

 

Bei anderen Neugeborenen ist das Ansprechen auf Testosteron nur teilweise eingeschränkt. Bei ihnen kann das Erscheinungsbild der äußeren Genitalien irgendwo zwischen männlich und weiblich liegen. (siehe auch die Webseite Androgen Insensitivity Syndrome Support Group (AISSG) für mehr Informationen zur testikulären Feminisierung). Es ist unglaublich, aber viele XY- Mädchen werden nie über ihr Krankheitsbild aufgeklärt, weil Ärzte und Eltern Scham und Verlegenheit angesichts der Tatsache empfinden, dass ein Mädchen männliche Gene hat. Stattdessen wird ihnen erzählt: “Bei dir haben sich keine inneren Geschlechtsorgane entwickelt und deswegen kannst du keine Kinder bekommen.” Oft bekommen die Betroffenen erst später im Leben die Wahrheit heraus (z.B. Sherris Geschichte auf der AISSG Webseite).

 

In der Gesellschaft ist man sich allgemein fast gar nicht der Existenz der XY- Mädchen bewusst. Das hat zu vielen Problemen für die Betroffenen geführt. Zum Beispiel wurde mehr als 30 Jahre lang vom Internationalen Olympischen Komitee ein genetischer “Geschlechtstest” durchgeführt um sicher zu sein, dass alle weiblichen Athleten auch “wirklich weiblich” sind (Leute nach “Geschlechtswechsel” sollten aus den Wettkämpfen ausgeschlossen werden). In einer Vielzahl von Fällen wurden XY- Frauen als “Männer entlarvt” und disqualifiziert. Das waren wirklich tragische Irrtümer, weil das Vorhandensein von Y- Chromosomen die XY- Frauen nicht zu Männern macht und ihnen irgendeinen Vorteil gibt. Diese Pseudo- Geschlechtszuweisungen wurden oft veröffentlicht und führten zur absoluten Demütigung der betroffenen Frauen.

 

Seit den Olympischen Sommerspielen 2000 hat das IOC die “Geschlechtstests” eingestellt. Am 17. Mai 2004 gab das IOC bekannt, dass postoperative transidente Frauen und Männer an den Wettkämpfen teilnehmen dürfen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Die Diskriminierung von Intersexuellen und Transidenten bei den Olympischen Spielen gehört endlich der Vergangenheit an.

 

Auf der Webseite der Gesellschaft für Intersexualität von Nordamerika mit der Überschrift: "How Common Are Intersex Conditions?" findet ihr einen Überblick zur Prävalenz und den Ausprägungen der Intersexualität. Es gibt auch Lehrbücher mit geschichtlichen und medizinischen Informationen zur Intersexualität wie z.B.:   Intersex in the Age of Ethics und Hermaphrodites and the Medical Invention of Sex von Prof. Alice Dreger, Ph.D., Michigan State University:

 

 

 

 

 

 

Die Existenz von XY (genetisch männlichen) intersexuellen Kindern, die weibliche Genitalien und eine weibliche Geschlechtsidentität haben (die XY- Mädchen) war einer der ersten bekannten Fakten die Wissenschaftler vor Jahren zu der Erkenntnis führten, dass die Geschlechtsidentität NICHT genetisch durch das Vorhandensein von XX- oder XY- Chromosomen bedingt ist. Stattdessen nahmen sie an, dass die Geschlechtsidentität zum Zeitpunkt der Geburt neutral ist und in der frühen Kindheit durch die Genitalien und die Erziehung entsteht. Einer der führenden Vertreter dieser Theorie war John Money von der Johns Hopkins Universität.

 

Entsprechend dieser Theorie müsste also ein Kind, das eine Vagina hat und als Mädchen erzogen wird unabhängig von seinen Genen eine weibliche Geschlechtsidentität entwickeln. Ein Kind mit einem Penis, das als Junge erzogen wird müsste dann unabhängig von den Genen eine männliche Geschlechtsidentität bekommen. Wenn die Geschlechtsidentität eines Kindes diesem Schema nicht entsprach, nahmen Psychologen und Psychiater an, es müsse bei der Erziehung etwas “schiefgegangen” sein, oder dass das Kind irgendwie geistesgestört sei oder eine Art Wahn habe (d.h. “psychisch krank” sei). Die Therapie einer abweichenden Geschlechtsidentität war psychiatrisch, basierend auf der Annahme, dass die “Geistesstörung” beseitigt werden könne.

 

Die chirurgische Korrektur der Genitalien bei intersexuellen Kindern, um sie “normal” zu machen:

 

In den 60ger Jahren wurden auf der Grundlage der Theorie “Genitalien und Erziehung” mit Hilfe der Fortschritte in der plastischen Chirurgie operative Eingriffe zur Korrektur der Genitalien bei vielen intersexuellen Kindern durchgeführt. Es bestand die Ansicht, dass die Kinder mit männlich bzw. weiblich aussehenden Genitalien und der dazugehörigen geschlechtsspezifischen Erziehung eine dem entsprechende Geschlechtsidentität entwickeln würden.

 

John Money von der Johns Hopkins Universität, der allmählich zur Autorität in der medizinischen Fachwelt hinsichtlich von “Geschlechtsidentitätsstudien” geworden war, war der führende Vertreter dieser Theorie. Er war Anhänger einer Verhaltenspsychologie, die den Grundgedanken hatte, dass bei Neugeborenen keine Persönlichkeitscharakteristiken existieren. Seine Theorie war, dass die Geschlechtsidentität einzig und allein das Produkt von Erziehung und Sozialisierung sei.

 

Die Motivation für “Korrekturoperationen” war, den vermeintlichen “sozialen Notfall”, die Intersexualität bei der Geburt, zu beseitigen. Die natürliche Existenz der vielen intersexuellen Babys zerstört die strikte Zweiteilung unserer Kultur in männlich und weiblich. Auf diese Weise stellt das Vorhandensein der Intersexualität viele religiöse und gesetzliche Grundmuster in Frage. Eltern und Ärzte stehen unter einem unglaublichen sozialen Druck, diese Variation der Natur zu beseitigen. John Money lieferte eine theoretische Rationale, welche die “Korrekturoperationen” rechtfertigte und die “wissenschaftlich plausibel” schien.

 

Weil es einfacher war, weibliche Genitalien zu formen, geschah es häufig, dass intersexuelle XY- Jungen, die nur einen kleinen oder gar keinen Penis hatten, zu Mädchen gemacht wurden. Es störte die Chirurgen nicht, dass bei den Operationen sensibles genitales Gewebe verloren ging, weil in der Gesellschaft nicht anerkannt war, dass auch Frauen sexuelle Gefühle haben und einen Orgasmus bekommen können. Wenn ein Kind zu einem Mädchen gemacht wurde, sorgten sich die Ärzte nicht darum, ob es später sexuelle Empfindungen und Freude am Sex haben würde. Es sollte nur als Frau eine funktionierende Sex- Partnerin zur Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse des Mannes werden.

 

Genitale Operationen an intersexuellen Kindern wurden viele Jahre mit einer Häufigkeit von etwa 1 zu 2000 Geburten durchgeführt. Meistens wurden weibliche Genitalien gebildet. Erstaunlicherweise gab es nie einen wissenschaftlichen Follow-up, um zu sehen, was aus den Kindern geworden ist!

 

Auch in den Anfangsjahren dieser Operationen gab es Leute, die sich für eine vorsichtige Herangehensweise einsetzten. Der bekannteste Vertreter war der junge Forscher Milton Diamond, jetzt Professor an der Universität von Hawaii. Bereits als Absolvent wendete sich Diamond mit seinem Artikel: “Eine kritische Einschätzung der Entwicklung des menschlichen Sexualverhaltens” (1959) gegen Moneys Theorien. Diamonds Erkenntnisse basierten auf seinen Beobachtungen bei Tierexperimenten. Er führte aus, dass “Biologie, Psychologie, Psychiatrie, Anthropologie und Endokrinologie Beweise liefern, dass die Geschlechtsidentität im Gehirn vom Zeitpunkt der Konzeption an fest geprägt wird” (siehe auch As Nature Made Him, S.44).

 

Die Behauptung, dass die Menschen “über die Einflüsse der biologischen Evolution hinaus hinsichtlich der Sexualität fortgeschritten” seien und dass sich sowohl Sexualität als auch Geschlecht sozial ausbilden war aber schon tief in der medizinischen Fachwelt verankert. Unter dem Einfluss von John Money bestimmte diese Ansicht das medizinische und psychologische Denken der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Korrekturoperationen bei Intersexuellen wurden in dieser Zeit weiterhin ohne Follow-up zu Tausenden durchgeführt. Erst als das Jahrhundert zu Ende ging kamen bedrückende Fragen auf. Einige wenige gelegentliche Nachuntersuchungen belegten, dass Moneys Voraussagen nicht eingetreten waren.

 

 

Wie die “Korrekturoperationen” belegen, dass alte Theorien zur Entstehung der Geschlechtsidentität falsch waren:

 

In den letzten Jahren haben sich viele Intersexuelle über das Internet “gefunden” und damit begonnen, sich hinsichtlich ihrer Situationen auszutauschen. Daraufhin wurde klar, dass viele der “Korrekturoperationen” nicht zu den in den alten Theorien beschriebenen Ergebnissen geführt hatten. Stattdessen waren Intersexuelle mit den Genitaloperationen regelrecht verstümmelt worden. Viele hatten auch Transidentitätskrisen, weil die Genitaloperation willkürlich entsprechend des einfachsten Weges für den Chirurgen durchgeführt worden war.

 

Unter dem Druck sehr aktiver Intersexueller, insbesondere der neu gegründeten ISNA wurden endlich Follow-up- Untersuchungen nach “Korrekturoperationen” durchgeführt. Die erste diesbezügliche Studie bei 25 genetisch männlichen Jungen, die bei Geburt wegen Blasenekstrophie keinen Penis hatten und die chirurgisch zu Mädchen gemacht worden und als solche erzogen worden waren hatte das Ergebnis, dass alle 25 eine männliche Geschlechtsidentität hatten.

 

Alle diese Kinder hatten eine Vorliebe für typische Jungenspiele, obwohl sie als Mädchen erzogen wurden. Als Teenager beharrten sie trotz ihrer weiblichen Genitalien und ihrer Erziehung darauf, Jungen zu sein und dass sie als solche leben wollen. Viele von ihnen wollten wie andere Jungen in ihrem Alter Freundinnen haben.

 

Die “Korrekturoperationen” hatten die ursprünglich männliche Geschlechtsidentität nicht in eine weibliche umkehren können, sondern hatten diese genetisch männlichen Kinder zu FzM Transidentinnen gemacht. Viele dieser Jungen hatten inzwischen Hormontherapie und haben den sozialen Wechsel von der Frau zum Mann vollzogen. Es ist tragisch, dass die “Korrekturoperationen” eine plastische Rekonstruktion männlicher Genitalien unmöglich gemacht haben. In vielen Fällen ist auch sexuelles Empfinden und Orgasmus nicht mehr möglich.

 

 

Was wir von Intersexuellen über Geschlechtsidentität wissen:

 

Die neueren Studien stellen die gesamte Praxis der Genitaloperationen von Intersexuellen in Frage.

 

Es gibt aber noch eine wichtige Erkenntnis: Die Theorie, dass äußere Genitalien und Erziehung die Geschlechtsidentität bestimmen wurde widerlegt. Damit wird in der medizinischen Fachwelt ein Paradigmenwechsel hinsichtlich des Denkens über die zugrundeliegende Natur der Geschlechtsidentität ausgelöst. Die persönlichen Erfahrungen von Intersexuellen, die in verschiedenen Geschlechtern gelebt haben (manche nach “Korrekturoperation”, andere ohne diesen Eingriff) werden zunehmend bekannt und tragen zu einem tieferen Verständnis der vom körperlichen Geschlecht abweichenden Geschlechtsidentität bei.

 

Ein weiteres Beispiel ist das XY- Turner- Mosaik (gemischte gonadale Dysgenesie). Bei der Geburt kann ein Kind mit Turner- Syndrom normale männliche Genitalien haben und dementsprechend als Junge erzogen werden. Wenn die Pubertät einsetzen müsste kommt es aber nicht zur Vermännlichung. Stattdessen bleibt das Erscheinungsbild zart und weiblich. Die Situation kann für diese Teenager sehr schwierig werden, wenn die Erkrankung nicht diagnostiziert wird und unbehandelt bleibt. Betroffene, die keine männliche Geschlechtsidentität haben stehen vor der schwierigen Entscheidung, entweder eine Testosterontherapie oder eine Östrogentherapie mit Genitaloperation durchführen zu lassen, um Mann oder Frau zu werden. Manchmal haben Kinder mit Turner- Syndrom eine weibliche Geschlechtsidentität und entscheiden sich, wenn sie die Wahl haben für eine dem entsprechende Geschlechtsangleichung.

 

Der Artikel: "Was wissen die Kinder?" von Jane Spalding erzählt die Geschichte eines solchen Kindes, das als Junge erzogen wurde, aber eine weibliche Geschlechtsidentität hatte und sich als etwa Zwanzigjährige für die hormonelle und chirurgische Geschlechtsangleichung zur Frau entschied. Solche Fälle widerlegen auch John Moneys Behauptung, dass äußere Genitalien und Erziehung die Geschlechtsidentität bestimmen.

 

 

Jane Spalding

 

 

 

Durch Moneys Theorien irregeleitet haben Mediziner über Jahrzehnte Tausende und Abertausende von intersexuellen Babys irreversibel verstümmelt. Um einen umfassenden Einblick in die traumatischen Lebenserfahrungen einer Intersexuellen zu bekommen, die als Kleinkind eine “Korrekturoperation” hatte und aufwuchs, ohne zu wissen was getan worden war, seht euch das Interview mit Cheryl Chase (Between the Lines: coming to terms with children born intersexed) von Victoria Tilney McDonough an.

 

Cheryl gründete die Gesellschaft für Intersexualität von Nordamerika (ISNA) und wendet sich gegen Scham, Geheimnistuerei und ungewollte Genitaloperationen bei Leuten, bei denen bei der Geburt eine atypische Anatomie vorliegt. Die ISNA setzt sich dafür ein, Intersexualität nicht mehr als Schande oder Abartigkeit anzusehen. Alleine in den USA werden jeden Tag bei 5 Kindern schädliche und medizinisch unnötige Genitaloperationen durchgeführt. Die ISNA spornt Ärzte dazu an, patientenzentriert zu behandeln und nicht in erster Linie auf Verheimlichung ausgerichtet zu sein. Mehr Einblicke in die Thematik bietet die Dokumentation des Discovery Channels: "Is it a Boy or a Girl?", welche unter Mitwirkung der ISNA entstand.

 

 

Cheryl Chase, Begründerin der ISNA

"Wenn ein intersexuelles Baby geboren wird, besteht das Versagen darin,

eine Operation durchzuführen." sagt Cheryl Chase, deren Genitalien chirurgisch

weiblich geformt wurden, als sie 18 Monate alt war.

"Die Ärzte operieren, damit alles seine Ordnung hat,

wickeln das Baby dann in eine Windel

und schicken es hinaus ins Leben."

 

 

Die Hypothese, dass soziale Einflüsse die Geschlechtsidentität bestimmen, wurde widerlegt:

 

Nachdem bekannt geworden war, dass John Money viele Jahre lang Beweise zurückgehalten hatte, die belegten, dass seine Theorien falsch waren, wendete sich die medizinische Fachwelt schnell von ihm ab. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte war der Fall von "John/Joan", nachzulesen im Buch As Nature Made Him: The Boy Who Was Raised as a Girl von John Colapinto.

 

Vor Jahrzehnten hatte John Money Eltern geraten, ihren Sohn, dessen Penis bei einer Beschneidung geschädigt worden war, einer Genitaloperation zur Schaffung weiblicher Genitale zu unterziehen. Die zugrundeliegende Theorie war, “sie” würde dann wie ein normales Mädchen aufwachsen und nicht als ein “verstümmelter Junge”. Das war ein bemerkenswerter Fall für Forscher, denn das Kind hatte einen eineiigen Zwilling, der als Vergleich dienen konnte. Als erster Schritt wurde das Kind kastriert und der Rest des Penis entfernt. Es wurde dann als Mädchen aufgezogen. Das Kind hatte jedoch immer eine männliche Geschlechtsidentität und erklärte, dass es ein Junge sei und wehrte sich gegen Bemühungen, ihm mädchenhafte Verhaltensweisen aufzuzwingen. Zum Zeitpunkt der Pubertät, immer noch im Unklaren hinsichtlich der durchgeführten Genitaloperation, verweigerte “das Mädchen” die weitere Verweiblichung mit Östrogen und weitere Operationen. Schließlich unterzog “sie” sich einer Geschlechtsangleichung zum Mann, genauso, wie es ein FzM Transident tun würde. Das Aufziehen eines Jungen als Mädchen mit weiblichen Genitalien veränderte in diesem Fall nicht das angeborene Gefühl seines wahren Geschlechtes.

 

[Anmerkung der Übersetzerin: David Reimer, der Mann, der als Junge geboren und als Mädchen erzogen wurde, starb am 4. Mai 2004. Er war 38 Jahre alt. Seine Familie gab bekannt, dass er Selbstmord beging. Seine Mutter, Janet Reimer, sagte, dass ihr Sohn noch leben würde, wenn an ihm nicht dieses verheerende Experiment durchgeführt worden wäre. Vivian Silver, M.D., Ph.D.]

 

Viele Jahrzehnte behauptete John Money, dass der John/Joan- Fall ein Erfolg gewesen wäre, indem er Fakten erfand. Niemals “erlaubte” Money Jemandem, an “Joan” heran zu kommen, um mehr Details über ihr Leben zu erfahren. Er gab an, das geschehe zum Schutz des Privatlebens. Der Fall wurde so berühmt, dass er der Eckpfeiler für Moneys gesamte Theorie wurde.

 

Dann kam die erschütternde Nachricht, dass John Money genau gewusst hatte, dass die Geschlechtsänderung des Kindes nicht erfolgreich war. Schlimmer noch, Money hatte Beweise, die seine Theorie widerlegten, Jahrzehnte lang zurückgehalten – Jahrzehnte, in denen Tausende von Kindern genital verstümmelt worden waren. Es war Professor Milton Diamond, der Wissenschaftler, der als Absolvent bereits Jahrzehnte früher gegen Moneys Theorie auftrat, der den Betrug entdeckte.

 

Professor Diamond war immer misstrauisch, was Moneys Studienergebnisse betraf. Jahrelang hatte er versucht, mit zahlreichen Studien und Veröffentlichungen andere dazu zu bringen, wenigstens in Betracht zu ziehen, dass die Geschlechtsidentität angeboren ist. Die Dominanz Moneys auf diesem Gebiet verhinderte jedoch, dass er sich durchsetzen konnte.

 

In den frühen 90ger Jahren gelang es Diamond endlich, das Kind “Joan”, das nun eigentlich eine erwachsene Frau sein müsste, zu finden. Das Kind, dessen Geschichte den Grundstein von Moneys Ansichten war. Diamond wollte nur eine Bestätigung darüber, wie es dem Kind ergangen war. Stattdessen fand er den unglaublichen Fakt heraus, dass “sie” sich nie als Mädchen gefühlt hatte und nun ein verheirateter Mann war!

 

Diamond und sein Kollege Sigmundson arbeiteten daraufhin unermüdlich daran, zu dokumentieren, was in diesem Fall passiert war und wollten die Ergebnisse veröffentlichen. Der Artikel war aber so kontrovers, dass viele Zeitschriften seine Annahme ablehnten. So groß war der Einfluss von Money und die Ehrfurcht vor seiner nun etablierten Lehrmeinung hinsichtlich der Geschlechtsidentität. Die Herausgeber der Zeitschriften konnten einfach nicht glauben, was sie da sahen.

 

Der Artikel: "Sex Reassignment at Birth: Long Term Review and Clinical Implications" von Milton Diamond und H. Keith Sigmundson wurde 1997 endlich in “Archives of Pediatric and Adolescent Medicine” abgedruckt. Es gab stürmische Reaktionen in den Medien und der Fachwelt. John Money war öffentlich überführt worden, Beweise gefälscht zu haben und auch Gegenbeweise zurückgehalten zu haben und das in einem Fall, der der Eckpfeiler seiner gesamten Theorie über Geschlechtsidentität war. Zwei Jahre später veröffentlichte John Calapinto detailliert die gesamte Geschichte, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

 

 

 

 

 

 

Die Geschichte von John/Joan erhielt öffentliche Aufmerksamkeit durch einen Artikel von John Colapinto in The Rolling Stone (11. Dezember 1997) mit dem Titel "Die wahre Geschichte von John/Joan". Hier ist ein Auszug aus der letzten Seite des Artikels:

 

" - - - Seine Geschichte hat die Anschauungen, die auf John Moneys Theorien aus den 50ger Jahren basieren, bis in die Grundmauern erschüttert. Ein zentraler Fehler in der Theorie, der die meiste Zeit des zwanzigsten Jahrhunderts herumgeisterte, wurde aufgedeckt. Es war Sigmund Freud, der als erster behauptete, dass eine gesunde psychologische Entwicklung des Kindes als Junge oder Mädchen zum großen Teil vom Vorhandensein oder Nicht- Vorhandensein des Penis abhängt – diese Behauptung war zentral in Moneys Theorie zur sexuellen Entwicklung und der hauptsächliche Grund, dass John Thiessen zum Mädchen gemacht wurde. Heute wird diese Behauptung auch von der neurobiologischen Forschung in Frage gestellt. Das führt Wissenschaftler zu der Schlussfolgerung, dass (wie Dr. Reiner ausführt) “das wichtigste Geschlechtsorgan nicht die Genitalien sind, sondern das Gehirn ...”

 

 

John Money, Ph.D.

 

Theoretiker, der behauptete, dass die Geschlechtsidentität sozial entsteht.

Er verbreitete seine Ansichten durch persönliche Dominanz auf diesem Gebiet und Fälschung von Daten, sowie Zurückhaltung von Daten, die gegen seine Ansichten sprachen.

 

Milton Diamond, Ph.D.

Professor für Anatomie und reproduktive Biologie, der Moneys Theorie widerlegte.

Seine Arbeiten weisen darauf hin, dass die Geschlechtsidentität bei der Geburt biologisch vorgegeben ist.

 

 

 

Professor Diamond hat für seine Arbeiten viel Anerkennung erhalten. Als Leiter des Pacific Center for Sex and Society an der Universität von Hawaii hat er viel über Geschlechtsidentität und Operationen bei Intersexuellen geschrieben. Seine Veröffentlichungen sind sehr zu empfehlen (z.B. Sex and Gender are Different: Sexual Identity and Gender Identity are Different und An Emerging Ethical and Medical Dilemma: Should Physicians Perform Sex Assignment on Infants with Ambiguous Genitalia? ).

 

Die Widerlegung von John Moneys Theorien hat schließlich zu einem Paradigmenwechsel geführt, nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch bei den Medizinern, obwohl der Fortschritt bei letzteren wegen des immer noch bei den Älteren vorhandenen Einflusses von Moneys Ansichten langsamer vonstatten geht. Es kommt auch zu rechtlichen Auseinandersetzungen wegen “Genitalkorrekturen”, die noch von “traditionellen Chirurgen” durchgeführt werden. Besonders in einem kürzlich erschienenen Artikel im Yale Law Review kommt das entstehende Verständnis von medizinisch- rechtlichen Fragen auf diesem Gebiet zum Ausdruck.

 

 

Die Hypothese, dass vor der Geburt entstandene Strukturen des Gehirns und des ZNS das Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit bestimmen:

 

Nun, wenn es nicht die Gene sind, die die Geschlechtsidentität bestimmen (Die Existenz der Mädchen mit testikulärer Feminisierung widerlegt das.) und auch nicht Genitalien und Erziehung (Die Jungen mit Blasenekstrophie sprechen dagegen.), was zum Teufel bestimmt dann die Geschlechtsidentität eines Menschen?

 

Es gibt zunehmend wissenschaftliche Hinweise darauf, dass bestimmte Hirnstrukturen im Hypothalamus (die BSTc Region) die geschlechtsspezifischen Gefühle und die angeborene Geschlechtsidentität bestimmen. Diese Strukturen werden vor der Geburt während der frühen Schwangerschaft fest in den unteren Hirnzentren des Zentralnervensystems (ZNS) während eines Hormon- modulierten Prägungsprozesses vernetzt.

 

Es scheint so zu sein, dass, wenn diese Hirnstrukturen durch Hormone im Fetus maskulinisiert (vermännlicht) werden, das Kind eine männliche Wahrnehmung und eine männliche Geschlechtsidentität haben wird, unabhängig davon, ob die Gene oder die Genitalien männlich sind. Wenn diese Strukturen nicht maskulinisiert werden wird das Kind unabhängig von den Genen und den Genitalien eine weibliche Wahrnehmung und eine weibliche Geschlechtsidentität haben. Wie auch bei den nicht eindeutigen Genitalien von Intersexuellen gibt es zweifellos auch in den Hirnstrukturen viele unterschiedliche Ausprägungen der abweichenden Geschlechtsidentität. Während manche eine vollständig abweichende Geschlechtsidentität haben, ist bei anderen die Abweichung nur partiell.

 

So kann erklärt werden, warum es möglich ist, dass manche Kinder eine Geschlechtsidentität haben, die nicht ihrem genetisch vorliegenden Geschlecht entspricht. Bei den Kindern mit testikulärer Feminisierung sind wahrscheinlich auch die Hirnstrukturen resistent gegenüber den maskulinisierenden Effekten des fetalen Testosterons (wie auch ihre Genitalien). Deshalb entwickeln sie Hirnstrukturen mit einer weiblichen Geschlechtsidentität, obwohl sie ein Y- Chromosom haben.

 

Auf diese Weise kann auch erklärt werden, warum manche Kinder eine Geschlechtsidentität haben, die nicht den Genitalien und der Erziehung entspricht. Bei Jungen mit Blasenekstrophie wurden die Hirnstrukturen vermutlich maskulinisiert durch fetales Testosteron, was zur Ausprägung einer männlichen Geschlechtsidentität führte, obwohl sie als Kleinkinder chirurgisch “zu Mädchen gemacht” wurden und auch als solche aufgezogen wurden.

 

Diese Beobachtungen hinsichtlich der Blasenekstrophie sind von enormer Bedeutung für die medizinische Forschung. Sie sind für die Sexualmedizin so wichtig wie Galileos Beobachtungen der Monde des Jupiters für die Astronomie.

 

Es sind unbestreitbare Beobachtungen, die auf einem Wissenschaftsgebiet, in dem es sehr viel Missinformation und Tabus gab, zum Paradigmenwechsel führen. Bei Galileo änderte sich das Weltbild von einem Universum mit der Erde im Zentrum zu einem Universum mit der Sonne im Zentrum. In der Sexualmedizin besteht die Veränderung in der Widerlegung der Theorie von Genitalien und Erziehung als bestimmend für die Geschlechtsidentität und der Akzeptanz der Theorie der vorgeburtlichen neurobiologischen Entwicklung der Geschlechtsidentität im Zentralnervensystem.

 

Dieser Paradigmenwechsel ist von weitreichender Bedeutung, insbesondere für Menschen, die an Transidentität leiden. Die Geschlechtsidentität ist kein psychologisches, sondern ein neurologisches Phänomen.

 

Lest aufmerksam die Schlussfolgerungen von William Reiner, M.D. einem Kinderarzt und Wissenschaftler am Johns Hopkins Hospital, bezüglich seiner Arbeit mit intersexuellen Kindern (Reiner ist an der Follow-up- Studie zur Blasenekstrophie beteiligt, welche diese Schlussfolgerungen bestätigt.):

 

 

 

 "Es sind letztendlich die Kinder selbst, die herausfinden können und müssen, wer und was sie sind. Es ist unsere Aufgabe als Ärzte und Wissenschaftler, ihnen zuzuhören und zu lernen. Klinische Entscheidungen dürfen weder von anatomischen Gegebenheiten noch vom ‚Funktionieren’ der Sexualorgane abhängig gemacht werden, weil hierfür nicht Moral oder soziale Konsequenz im Vordergrund stehen sondern das wahrscheinlichste psychosexuelle Entwicklungsmuster des Kindes. Anders gesagt, kritisch für die psychosexuelle Entwicklung und Anpassung sind nicht die äußeren Genitalien, sondern es ist das Gehirn."

William Reiner, M.D., To Be Male or Female--That is the Question, 151 Arch Pediatr. Adolesc. Med. 225 (1997)].

 

 

 

Es ist erstaunlich, dass Psychiater in der Vergangenheit all das nicht wussten und so lange annahmen, dass die Geschlechtsidentität bei der Geburt neutral sei und erst später durch soziale Interaktionen entsteht. Leute mit abweichender Geschlechtsidentität haben schon lange berichtet, dass ihr Problem nicht in Gedanken besteht, sondern in geschlechtsspezifischen Wahrnehmungen und Körpergefühlen des anderen Geschlechts. Schon als Kleinkind gibt es geschlechtsspezifische Gefühle. Sie beeinflussen die Bewegungsabläufe des Körpers, wie man reagiert, wenn man berührt wird, wie aggressiv oder anschmiegsam man ist und wie man mit anderen kleinen Kindern umgeht. Dann nach der Pubertät hat man Gefühle, wie man sexuell erregt wird (männlich: Drang, einzudringen oder weiblich: die Vorstellung, in sich eindringen zu lassen).

 

Über diese vom ZNS erzeugten sexuellen Gefühle denkt man nicht nach, man empfindet sie einfach. Die Wahrnehmungsmuster sind in den Hirnstrukturen geprägt und können nicht mit psychiatrischen Methoden verändert werden, wie man auch das Gefühl von Hitze nicht in das Gefühl von Kälte umwandeln kann und umgekehrt.

 

Welche Einflüsse im Uterus auch immer eine Rolle spielen, die geschlechtsspezifischen Gefühle und die Geschlechtsidentität der Menschen befinden sich im Mittelpunkt ihrer Existenz. Die Geschlechtsidentität ist von Geburt an unumkehrbar festgelegt und kann nicht medizinisch oder psychologisch verändert werden. Wir wissen auch, dass es nur eine Möglichkeit gibt die Geschlechtsidentität eines Menschen herauszufinden. Man muss ihn danach fragen. Geschlechtsidentität ist eine Wahrnehmung. Jeder kann nur selbst sicher wissen, wie diese Wahrnehmung ist. Niemand anders kann das bestimmen.

 

 

 

 

 

TRANSGENDERISMUS:

 

 

Wir haben jetzt Grundlagenwissen hinsichtlich Geschlecht und Geschlechtsidentität und hatten Einblicke in die Schwierigkeiten, denen Intersexuelle gegenüberstehen. Damit sind wir vorbereitet, mehr über Transgenderismus und Transidentität zu erfahren.

 

Diese Webseite konzentriert sich entsprechend Lynns persönlichen Erfahrungen auf MzF Transidentität. Es gibt aber auch die umgekehrte Situation, die FzM Transidentität, die fast genauso häufig ist. Mehr Informationen zur FzM Transidentität gibt es auf den Webseiten FtM International und The American Boys. Im Artikel "Girls will be Boys", by T. Eve Greenaway wird das plötzliche Auftauchen des FzM Transgenderismus an vielen Hochschulen und Universitäten der USA diskutiert. Vertiefende Hintergrundinformationen zum FzM Transgenderismus und zur FzM Transidentität liefert das Buch von Jason Cronwell: Transmen & FtMs. Seht euch auch Lynns Webseite mit Links und Fotos von Erfolgreichen Transmännern an.

 

 

Einleitung:

 

Der Fakt, dass manche scheinbar normale Jungen gar keine Jungen sind, sondern Mädchen sein sollten, ist kaum bekannt und es wird selten darüber gesprochen. Obwohl sie normale Y- Chromosomen und normale männliche Genitalien haben und als Jungen aufgezogen werden, haben sie geschlechtsspezifische Gefühle, Körperempfindungen und die Geschlechtsidentität von Mädchen. Genauso sind manche Mädchen gar keine Mädchen, sondern sollten Jungen sein. Es passiert nicht sehr oft, aber es passiert und es war immer so.

 

Vielleicht bei einem von 200 bis 400 Neugeborenen tritt in den frühen Stadien der Schwangerschaft ein Fehler auf. Das Gehirn des Fetus wird nicht durch die Geschlechtshormone dem körperlichen Geschlecht angepasst. In diesen Fällen werden die Kinder mit einer Geschlechtsidentität geboren, welche nicht ihren Genen und den Genitalien entspricht. Weil die Kinder normal aussehen, werden sie im falschen Geschlecht aufgezogen. Daraus resultieren enorme psychische Probleme. Es handelt sich um Kinder mit Transidentität, der am stärksten ausgeprägten Form des Transgenderismus.

 

Viel öfter, vielleicht bei einem von 50 Kindern (Jungen und Mädchen), ist der Transgenderismus nur zu einem gewissen Grad vorhanden. Wir können diese Anzahl anhand der Häufigkeit der Transgender abschätzen, die sich im Umfeld der Schwulen finden. Es ist zwar nur ein kleiner Anteil der Bevölkerung, es sind aber immerhin 1 bis 2%. Bei diesen Leuten gibt es eine Vielfalt unterschiedlicher Gefühle (wie es auch viele verschiedene Genitalien bei Intersexuellen gibt). Viele von ihnen haben große Anpassungsschwierigkeiten, wenn sie in eine strikte Geschlechterrolle gezwungen werden.

 

Frauen spüren, insbesondere bei zarten, feminin wirkenden Jungen, dass diese eigentlich Mädchen sein sollten. Sie sagen sogar oft untereinander: “Er sollte ein Mädchen sein.” Diese, dem gesunden Menschenverstand entspringenden Äußerungen werden aber kaum außerhalb der Gemeinschaft der Frauen diskutiert. Besonders die Väter werden jedes Mittel nutzen, um solche Jungen “zurechtzubiegen”. Es wird fälschlicherweise angenommen, feminin wirkende Jungen befänden sich auf einer Vorstufe zur Homosexualität. Deshalb wird dann alles unternommen, um “den Jungen vor diesem Schicksal zu bewahren”. Im entgegengesetzten Fall, wenn ein Mädchen fühlt wie ein Junge und sich rau benimmt, wird es deswegen oft nicht kritisiert. Es kann in unserer von Männern dominierten Welt sogar dafür gelobt werden, angriffslustig und aggressiv zu sein. Das betreffende Mädchen kann aber im gleichen Ausmaß Ablehnung gegen die zugeordnete Geschlechterrolle empfinden wie ein MzF transidenter Junge.

 

Es gibt keine Vorlage für einen solchen Jungen, die ihm sagt, wie er erzählen soll: “Ich fühle, als wäre ich ein Mädchen” und wie er aktive Unterstützung wegen seines Problems finden kann. Stattdessen nehmen transidente Jugendliche oft den Gedanken ihrer Eltern und Schulkameraden auf, die sagen “Du wirst ein schwuler Mann”. Manche versuchen später sogar, “schwul zu werden” und in der Gemeinschaft der Homosexuellen aufgenommen zu werden, obwohl das sehr selten funktioniert. Schwule Männer wollen Männer als Partner und nicht Leute, deren Geschlechtsidentität weiblich ist. Das letzte in der Welt, was eine MzF- Transidentin jemals werden kann ist ein schwuler Mann, der als solcher eigentlich noch mehr Männlichkeit hat, als der Durchschnittsmann!

 

Viele andere jugendliche Transgender werden heimlich Wege zum Crossdressing finden, um so ihre Gefühle auszuleben, oft bereits lange vor der Pubertät. Der Zwang zur absoluten Geheimhaltung und die Abwesenheit von Möglichkeiten, ihre innere Geschlechtsidentität nach außen zum Ausdruck zu bringen sind oft Quelle von Angst und Depressionen bei diesen Kindern.

 

Wenige MzF Transgender und Transidenten werden offen als hübsche Mädchen erscheinen und können für Jungen attraktiv sein, die sie dann als Mädchen lieben. Andere werden sich von Mädchen angezogen fühlen und diese dann lieben, als wären sie lesbisch. In diesen Fällen können sie, wenn sie von den Freundinnen akzeptiert werden, wunderbare und einfühlsame Liebende und Partner werden. Manche Transgender aber werden sich so sehr für ihre Gefühle schämen, dass sie sie als “schreckliches Geheimnis” vor allen verbergen, manchmal sogar vor sich selbst, für eine lange, lange Zeit.

 

Diejenigen, die transident sind (stärkste Ausprägung des Transgenderismus) werden, wenn ihr körperliches Geschlecht nicht angepasst wird, wie in einem Albtraum vom Leben abgetrennt sein. Sei es zu flirten, sich zu verabreden, einen Partner zu finden, zu heiraten, Kinder aufzuziehen oder all die kleinen Dinge des Lebens, überall spielt das Geschlecht eine Rolle und die Transidenten bleiben oft außen vor und sind nur Beobachter. Oder schlimmer noch, sie sind gezwungen gefühllos eine Rolle zu spielen, die ihrer inneren weiblichen Seele fremd ist und fühlen Ekel und Bitterkeit in ihrer männlichen sozialen Erscheinung.

 

Die englische Bezeichnung der ausgeprägten Form der abweichenden Geschlechtsidentität ist gender dysphoria oder gender identity disorder (GID). Eine Beschreibung der GID und Informationen zur explorativen Forschung auf diesem Gebiet findet ihr über folgende Links auf der Webseite Gender Identity Research and Education Society (GIRES):

 

 

Gender Dysphoria [2002]

 

Definition and Synopsis of the Etiology of Adult Gender Identity Disorder and Transsexualism.

 

 

 

Beratung und Therapie von Transgendern (TG) und transidenten Frauen (TI):

 

Beratung für Transgender und Selbsthilfegruppen gibt es in vielen Großstädten. Hier wird Transgendern bei der Diagnosestellung geholfen und sie erhalten Hinweise zu Möglichkeiten des sozialen Rollenwechsels und zur medizinischen Hilfe. Im Internet gibt es zahlreiche Webseiten zu Transgenderismus und Transidentität, die viele praktische Informationen zur Beratung und Geschlechtsanpassung geben. Viele dieser Seiten verfügen über aktuelle Listen mit Dienstleistern für Transgender (Therapeuten, Endokrinologen, Chirurgen usw.). Manche dieser Webseiten (wie TG Forum) geben auch einen Überblick über Klubs, Selbsthilfegruppen und wichtige nationale Veranstaltungen von Transgendern.

 

In vielen Fällen können aufgehobene Zwänge und Freizügigkeit bezüglich der Bekleidung und der Art, sich zu geben, die Beschwerden von Transgendern lindern und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu zeigen, wie sie sind, sich wohl zu fühlen und glücklich zu sein. Manche, die auf diese Weise inneren Frieden und Selbstakzeptanz finden, können auch Liebe und Lebensfreude erreichen, ohne weitere Veränderung ihres Erscheinungsbildes.

 

Andere aber, die an einer ausgeprägten Abweichung der Geschlechtsidentität vom körperlichen Geschlecht leiden, können körperliche Veränderungen durch Hormone und den dauerhaften Wechsel der Geschlechterrolle im Alltag und somit eine “Geschlechtsanpassung” anstreben. Gewöhnlich geschieht das mit Beratung und Leitung durch einen erfahrenen Therapeuten. Viele Leute durchlaufen heutzutage eine Geschlechtsanpassung und leben dann in dem sozialen Geschlecht, in dem sie sich am wohlsten fühlen, ohne ihre Genitalien operativ verändern zu lassen.

 

Die Lebenswege der Transgender- Frauen sind sehr verschieden und von vielen Faktoren abhängig (z.B. Intensität der Beschwerden, Zeitplanung sowie Art und Weise, offen mit der Problematik umzugehen).

 

In den vergangenen Jahrzehnten zum Beispiel wendeten sich viele junge TG- Mädchen der schwulen “Drag Scene” (siehe unten) zu, wo sie die Möglichkeit hatten, offen Frauenkleidung zu tragen und sich als Frauen zu geben. Hier konnten sie erfahren, wie es ist, für Männer attraktiv zu sein. Es waren jedoch schwule Männer, die sie als Jungen sahen. Es ist kein Geheimnis, dass es immer eine Minderheit schwuler “Drag Queens” gab, die überhaupt keine schwulen Jungen sind, sondern eigentlich Transgender oder sogar transidente Mädchen.

 

Seit der Verbreitung von Crossdressing- Klubs bzw. von Gruppen heterosexueller Crossdresser (siehe unten) und den vielen Möglichkeiten, in solchen Gemeinschaften sicher Crossdressing betreiben zu können, ist es häufiger geworden, dass junge Transgender sich anfangs als männliche Crossdresser sehen und von dieser Szene fasziniert sind. Erst später wird ihnen bewusst, dass sie nicht am autosexuellen Kick interessiert sind. Wenn sie spüren, dass sie wirklich nicht der Mehrheit der männlichen Crossdresser entsprechen (diese haben gewöhnlich Frauen und Kinder zu Hause), fangen sie an, sich mit dem bei ihnen zugrundeliegenden Transgenderismus auseinanderzusetzen. In diesem Moment wenden sich Transgender gewöhnlich von der Crossdresser- Szene ab und suchen Hilfe bei Therapeuten und Selbsthilfegruppen.

 

Leute, die gerade anfangen, sich mit ihrer Transgender- Problematik zu beschäftigen, können heute anonym an nationalen Konferenzen teilnehmen und sich mit den Möglichkeiten der Geschlechtsangleichung vertraut machen. Konferenzen wie: Southern Comfort und Colorado Gold Rush bieten, obwohl sie hauptsächlich von männlichen Crossdressern bevölkert sind, eine exzellente Beratung und Workshops und damit Hilfe für Betroffene, die Geschlechtsangleichung in Angriff zu nehmen. Alle, die ihre Geschlechtsidentität in Frage stellen, können an einer solchen Konferenz teilnehmen (in männlichem oder weiblichem Erscheinungsbild), mit Leuten in allen Phasen der Geschlechtsangleichung sprechen und schnell viele Informationen bekommen welche Möglichkeiten der Geschlechtsangleichung es gibt, wie man am besten vorgeht und was auf einen zukommt.

 

Das Internet hat eine große Bedeutung für Transgender. Hier steht Wissen zur Geschlechtsangleichung zur Verfügung und es wird Leuten geholfen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Durch die Verbreitung des Internets und die Verfügbarkeit von Informationen zum Transgenderismus und zur Transidentität können viele Transgender die schwulen Drag- Klubs und die Crossdresser- Szene umgehen. Stattdessen gehen sie direkt zu den großen Konferenzen, zu Therapeuten und zu Selbsthilfegruppen. In aller Ruhe und unter Wahrung ihrer Anonymität können sie hier die Möglichkeiten der Geschlechtsangleichung kennenlernen. Ausgeprägt transidente Mädchen leben teilweise lange als Transgender- Frauen, bevor sie die operative Geschlechtsangleichung durchführen lassen (siehe Teil II: Transidentität).

 

Die Geschlechtsangleichung erfordert [in den USA, Anm. von V. Silver] nicht die “Genehmigung” durch irgendjemanden oder durch Behörden, obwohl sie gewöhnlich von einem Therapeuten begleitet wird. Die MzF- Transidentin arbeitet hart daran, ihre Aussehen und die Art, sich zu geben, so weiblich wie möglich erscheinen zu lassen und bedient sich dabei der Hormontherapie, der Bartentfernung, dem Stimmtraining und vielen anderen Hilfsmitteln. Manche Transidentin lässt sich auch operieren (FFS und/ oder Brustvergrößerung). Wenn diese Veränderungen weit genug fortgeschritten sind, wird sie den sozialen Rollenwechsel zum weiblichen Geschlecht vollziehen und ständig als Frau in Erscheinung treten. Sie wird auch ihren Vornamen ändern lassen und dann auch alle persönlichen Papiere (das ist in vielen Staaten der USA heute relativ einfach machbar). Es gibt aber immer noch eine Menge Schwierigkeiten auf dem Weg, weil die Gesellschaft jemanden, der körperlich zwischen den Geschlechtern steht nicht immer bereitwillig aufnimmt. In manchen Fällen aber sind Transfrauen sehr erfolgreich im Leben geworden, haben tolle Karrieren gemacht und auch liebe Partner gefunden.

 

Hier sind einige Bilder von TransFrauen. Ihre Geschichten sind über die Weblinks erreichbar. Es zeigt sich, dass ein erfolgreicher Rollenwechsel auch ohne geschlechtsangleichende Operation möglich ist (obwohl manche dieser Frauen dabei sind oder vorhaben, ihre Geschlechtsangleichung auch durch die Genitaloperation zu vervollständigen):

 

 

Calpernia Addams im Jahr 2000:

Eine schöne TransFrau,

feminisiert durch Einnahme von Östrogen

 

Mehr über Calpernia, in Teil Ia.

Calpernia hatte inzwischen ihre Genitaloperation.

Siehe auch Calpernia's new webpage,

Und ihr Buch, Mark 947.

 

 

 

Chrysis, eine atemberaubende TransFrau, die ein Star

im Cabaret in New York City in den 70ger und 80ger Jahren war.

 

Hier sehen wir Chrysis mit Nick Nolte in einer Szene

des Films Q&A (in dem sie mitspielte)

 

 

 

Charlotte

Eine schöne junge TransFrau aus Spanien.

 

 

 

 

Carla Antonelli, eine schöne TransFrau aus Spanien.

 

 

 

 

 

Miriam, ist eine atemberaubende TransFrau aus Großbritannien.

Miriam ist glücklich, wie sie ist. Sie plant keine Genitaloperation.

 

Miriam war kürzlich Thema einer Auseinandersetzung

wegen ihres Auftritts in einer "reality TV show" in Großbritannien.

 

 

 

Bei den ausgeprägten Fällen der Transidentität ähneln sich die Lebensläufe von Transidentinnen und Transgendern zwar am Anfang, die letztendliche Lösung erfordert aber mehr als nur Hormontherapie und den sozialen Rollenwechsel. Der einzige Ausweg bei ausgeprägter Transidentität besteht in der kompletten Angleichung des körperlichen Geschlechts an die innere Geschlechtsidentität. Das heißt, komplette Geschlechtsangleichung, was bei MzF Transidentinnen bedeutet: Umwandlung des männlichen Körpers in den Körper einer Frau. Das erfolgt durch Einnahme von weiblichen Geschlechtshormonen UND geschlechtsangleichende Operation mit dem Aufbau äußerer weiblicher Genitalien. Es gibt in den USA Richtlinien (formal medical protocols), welche Psychotherapie, Hormontherapie und die Alltagserfahrung für mindestens ein Jahr als Voraussetzung für diese Operation vorsehen (siehe auch Teil II. Transidentität).

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Harisu, eine schöne junge TransFrau aus Korea, deren Mutter sie bei der Geschlechtsangleichung als Teenager unterstützte. Sie hatte mit 19 ihre Operation. Sie ist jetzt eine postoperative TransFrau.

 

 

 

 

 

 

Dana International, eine schöne junge Frau aus Israel, die auch bereits als Teenager ihre Geschlechtsangleichung startete und die mit 22 Jahren operiert wurde. Dana war als Teenager eine Cabaret- Drag- Künstlerin und wurde als postoperative TransFrau eine weltberühmte Sängerin.

 

 

 

 

 

Es gibt wenigstens 32000 bis 40000 postoperative TransFrauen in den USA (siehe Prävalenz der Transidentität in Teil II ). Jedes Jahr lassen etwa 1500-2000 US- Bürger eine operative MzF- Geschlechtsangleichung durchführen. Deshalb steigt die Anzahl der postoperativen TransFrauen sehr schnell an. Wie wir sehen werden, waren viele der TransFrauen nach der Geschlechtsangleichung sehr erfolgreich.

 

Die Anzahl der Transgender- Frauen ist um ein Vielfaches höher als die Anzahl der Transidentinnen. Es kann deshalb angenommen werden, dass viele Hunderttausend, vielleicht sogar einige Millionen in den USA Transgender sind.

 

 

Was oft mit Transgenderismus und Transidentität durcheinander gebracht wird:

(i) Schwule, (ii) Drag Queens, (iii) Transvestiten(TV)/ Crossdresser (CD), (iv) Autogynäphile und (v) Andere.

 

Transgenderismus und Transidentität werden oft mit anderen Cross- Gender- Verhaltensweisen und Erscheinungen durcheinander gebracht. Wir können mehr über Transgenderismus und Transidentität lernen, wenn wir uns mit diesen anderen Erscheinungen auseinandersetzen. Wir werden sehen, dass es teilweise fließende Übergänge gibt.

 

Die Terminologie auf diesem Gebiet ist sehr ungenau. Cross- Gender Verhaltensweisen und Erscheinungen werden unterschiedlich bezeichnet. Es gibt Leute, die ALLES was mit Crossdressing zu tun hat “in die Schublade Transgender schieben”. Es gibt aber wesentliche Unterschiede zwischen denen, die eine abweichende Geschlechtsidentität haben (Transgender und Transidenten) und denen, die eine absolut männliche Geschlechtsidentität haben (Transvestiten und schwule Drag- Queens). Wenn diese Unterschiede nicht klar sind, kann durch Konfusion der Begriffe unter der Oberbezeichnung Transgender große Verwirrung entstehen.

 

Von der Verwirrung können auch junge Transgender und Transidentinnen selbst erfasst werden. Wir werden sehen, dass manche, wenn sie nach einer Erklärung für ihre Probleme suchen, anfangs denken, sie müssten schwul sein oder sie wären “Drag Queens” oder Crossdresser. Deshalb wandern viele junge Transgender und Transidentinnen auf ihrem Weg durch die Schwulenszene und Crossdresser- Klubs.

 

 

(i) Konfusion von Transgenderismus und Transidentität mit Homosexualität:

 

Über 5% aller Männer und Frauen sind homosexuell und bevorzugen einen gleichgeschlechtlichen Partner. Das ist ein Teil der menschlichen Natur. Es war schon immer so und auch Versuche von Religionen und der Gesellschaft, es auszulöschen, hatten keinen Erfolg. Die Liebe findet ihren Weg, trotz aller Hindernisse.

 

Weil Homosexualität so häufig ist, wird sie oft mit Transgenderismus und Transidentität durcheinander gebracht. Folgender Gedanke geht den Leuten oft durch den Kopf, wenn sie hören, dass jemand transident (“transsexuell”) ist: “Meine Güte, ich wusste gar nicht, dass er schwul ist”.

 

Es ist einfach zu begreifen, wie Leute zu diesem Schluss kommen. Sie denken ganz einfach, wenn sie eine TransFrau mit ihrem männlichen Partner sehen, sie wäre (oder war) ein schwuler Mann, der um Männern zu gefallen sein Geschlecht gewechselt hat. Dieses Missverständnis ist in Ignoranz der Geschlechtsidentität begründet. Es ist ein Gedanke, der völlig unterschiedliche Leute in einen Topf schmeißt: transidente Frauen und schwule Männer.

 

Wie kam es zu dieser Konfusion? Möglicherweise ist sie darin begründet, dass Schwule vor Jahren mit “Rollenspielen” angefangen haben. Seit Jahrzehnten gibt es schwule Männer, die sich “effeminiert” geben und die “Frauenrolle” in einer Partnerschaft nachahmen, obwohl sie eigentlich von ihrem Selbstverständnis her Männer sind und überhaupt nicht wie Frauen fühlen.

 

Effeminierte schwule Männer sind zwar eine Minderheit der Schwulen, sie sind aber wesentlich bekannter als TransFrauen. Homosexualität ist einfach häufiger (über 5% der Bevölkerung). Es gibt wesentlich weniger TransFrauen, und diese mussten, um zu überleben, möglichst unsichtbar sein. Das Rollenspiel von Schwulen führte auch zu der Annahme, dass diese Männer “richtige Frauen” sein wollen.

 

Das Rollenspiel von Schwulen gehört schon fast der Vergangenheit an. Die meisten Schwulen erscheinen völlig normal und fallen im Alltag gar nicht auf. Sicher gibt es noch Schwule, die mit Cross-Gender- Verhalten signalisieren, welche Partner sie bevorzugen. Aber auch diese Leute haben gewöhnlich keine abweichende Geschlechtsidentität. Es geht nur darum, in der Schwulenszene dazu zu gehören.

 

Was sind die Fakten?

Ein schwuler Mann hat eine männliche Geschlechtsidentität.

Er möchte männliche Partner mit männlicher Geschlechtsidentität, die sich von ihm als Mann angezogen fühlen.

Das Allerletzte, was er in seinem Leben tun würde wäre, sein Geschlecht zu wechseln und eine Frau zu werden. Das wäre für ihn eine Katastrophe und käme einem Akt der Selbstzerstörung gleich, weil er in seinem Inneren männlich ist und die Männlichkeit an sich selbst und an seinen Partnern liebt.

 

Im Gegensatz dazu hat eine TransFrau eine weibliche Geschlechtsidentität. Sie kann in ihrem neuen Geschlecht heterosexuell, lesbisch oder bisexuell sein. Sie möchte Partner, die sich von ihr als Frau angezogen fühlen. Sie möchte einen weiblichen Körper, um vollständig als Frau zu empfinden und als solche wahrgenommen zu werden. Wenn sie nach erfolgter Geschlechtsangleichung homosexuell ist, ist sie lesbisch und nicht schwul.

 

 

(ii) Drag Queens:

 

Manche schwule Männer kleiden sich gelegentlich als “Drag”, um Frauen zu karikieren (DRAG = "DRessed As a Girl" = als Mädchen gekleidet). Sie gehen in diesem Outfit in Bars und Klubs, manchmal auch zu speziellen Anlässen und Feiern. Schwule Männer, die besonders gute Frauendarsteller sind, treten als “Drag” in verschiedenen Schwulen- Nachtklubs auf (wie z.B. im Klub "Oz" in New Orleans). Es gibt schwule Männer wie Ru Paul, die eine große Begabung als “Illusionisten” haben und hervorragende “Drag- Performer” geworden sind.

 

 

RuPaul – ein berühmter “Drag- Performer”

 

 

 

Die Ursprünge dieser häufigen Praxis gehen zurück in die Schwulenkultur. Diese Performer, gewöhnlich sind es schwule Männer, werden "Drag-Queens" (DQ) genannt. Viele von ihnen fingen damit als Teenager an, zu einem Zeitpunkt, an dem sie entdeckten, dass sie so viele Männer in Schwulenklubs auf sich aufmerksam machen können. Sie verändern ihren Körper nicht mit Hormonen und haben großes Talent im Auftreten, in der Bekleidung, in der Verwendung von Prothesen und dem Schminken um ein weibliches Erscheinungsbild zu zaubern. Als schwule Männer schätzen sie ihre männlichen Genitalien sehr. Sie lehnen das Konzept des “Geschlechtswechsels” ab und würden, wie auch alle anderen schwulen Männer, so etwas nie in Betracht ziehen.

 

Es gibt eine große schwule Subkultur von Drag- Performern und Drag- Wettbewerben in den gesamten USA und es gibt eine kleine Minderheit junger schwuler Männer, die von diesem “Lifestyle” angezogen wird. Für viele dieser jungen Männer, auch solche, die nicht besonders attraktiv sind, ist “Drag” in Schwulenklubs ein sicherer Weg, die Aufmerksamkeit von schwulen Lovern zu gewinnen, zumindest wenn sie noch jung sind. Außerhalb der Klubs jedoch sind diese Boys immer Jungen. Im Tageslicht betrachtet würden nur wenige von ihnen als Frauen durchgehen, weil sie weder Hormone nehmen, noch sonstige Körperveränderungen durchführen lassen.

 

Wenn jugendliche Transgender oder Transidentinnen mitbekommen, dass sie in Schwulenklubs offen als “Mädchen” auftreten können, haben viele von ihnen den Drang, in diese Szene zu gehen. Anfangs können sie sich sogar selbst als Drag- Queen identifizieren. Das ist gar nicht so selten. Nachdem sie eine Weile in diese Klubs gegangen sind, wird ihnen meistens klar, dass sie gar keine schwulen Jungen sind. Dann möchten sie auch die Aufmerksamkeit von schwulen Männern nicht mehr, die sie nicht als Frauen, sondern als Männer begehren. Wenn sie dann von den Möglichkeiten der Geschlechtsangleichung hören und auch, dass manche TransFrauen Partner gefunden haben, die sie als Frauen lieben, beginnen sie ihre eigene Geschlechtsangleichung zu planen und steigen aus der Drag- Szene aus. Sie möchten eine heterosexuelle Beziehung als TransFrau.

 

Schon lange gibt es ein Nebeneinander von Drag- Queens und Transgendern sowie Transidentinnen, die durch die Schwulenszene hindurch gehen. Die Mehrheit der Drag- Queens ist allerdings schwul. Es ist kein schlechter Weg für eine Transidentin, durch diese Szene zu gehen. Es ist eine Umgebung, in der sie sich frei und ohne Zwänge ihrer Identität klar werden kann. Einen Einblick in den “Lifestyle” der Schwulenklubszene bekommt ihr in Calpernia Addams Buch Mark 947, in dem der Weg einer Transidentin beschrieben ist.

 

Mehr Einblicke in die Drag- Welt bekommt ihr über Links zu Drag- Klubs von Webseiten von Schwulen. QUEENMOTHER.TV ist eine Webseite der New Yorker Drag- Szene.

 

Drag Queens (DQs) werden oft von der Öffentlichkeit irrtümlich als “Transsexuelle” bezeichnet. Die extravaganten Präsentationen vieler Drag- Queens tragen so zu einem falschen Bild von Transgendern als Männer, die farbenprächtig Frauen nachahmen, bei. Es gibt auch Leute, die von MzF- Transidentität gehört haben und annehmen, Drag- Queens hätten eine weibliche Geschlechtsidentität. Im Allgemeinen trifft das aber auf einen Drag- Performer nicht zu.

 

Sogar manche Theoretiker sortieren Drag- Queens in die Schublade “Transgenderismus” ein und sammeln hier alles, was mit atypischem geschlechtsspezifischem Verhalten zu tun hat. Diese fehlerhafte Terminologie ist absolut irreführend, da die Mehrheit der Drag- Queens sich als männlich identifiziert und das Crossdressing nur zum Spaß betreibt. Nur wenige haben Probleme mit ihrer Geschlechtsidentität und sehen sich selbst als Transgender. Der einzige Weg, herauszufinden, ob ein Drag- Performer Transgender ist, ist ihn zu fragen. Man sollte niemanden wegen Drag- Präsentationen automatisch als Transgender einstufen.

 

 

(iii) Transvestiten und Crossdresser:

 

Viele heterosexuelle Männer betreiben manchmal Crossdressing (tragen weibliche Bekleidungsstücke) um sich zu erregen. Das wird Transvestismus genannt. Etwa 20 bis 30% aller Männer tun das irgendwann in ihrem Leben. Es ist wichtig, festzustellen, dass es eine sehr häufige Erscheinung ist, die klar abgegrenzt werden muss.

 

Transvestismus ist oft einfach nur eine Ausdrucksform der männlichen Sexualität, ähnlich der Nutzung der Pornographie zur sexuellen Befriedigung und hat in diesem Fall nichts mit einer abweichenden Geschlechtsidentität zu tun. Sexuell aktive Männer, deren Phantasien auf Frauen ausgerichtet sind, können sehr erregt sein, wenn sie einen Teil von sich in Frauenbekleidung erblicken. Manche dieser Männer gehen dann allmählich dazu über, sich vollständig weiblich zu bekleiden, um so mehr sexuell erregt zu sein, als sie es sonst wären.

 

Ein Zehntel der Transvestiten (2 bis 3% aller Männer) betreiben Crossdressing, entweder privat oder in “Crossdresser- Klubs”. Es gibt Millionen von ihnen. Bekannte Transvestiten sind J. Edgar Hoover, Jeff Chandler, Milton Berle, Flip Wilson, Dennis Rodman, Marv Albert und eine große Anzahl von sehr männlichen und oft sehr attraktiven Männern.

 

Manche von ihnen können auch als Frauen verkleidet auf Fotos und im Dämmerlicht von Klubs attraktiv wirken, aber ihre männliche Wesensart verrät, dass sie weder wie Frauen fühlen, noch sich als solche fühlen. Sie versuchen auch gar nicht, wie Frauen aufzutreten. Sie verkleiden sich nur zum Spaß und empfinden eine männliche Erregung, wenn sie ihren Körper in zarte, verführerisch weibliche Kleidung stecken und ihren scheinbar feminisierten Körper erblicken. Da es in erster Linie um Selbstbefriedigung geht, kleiden sich Transvestiten eher stereotyp weiblich und sogar provokativ sexy mit bunt schillernden Kleidern, Feinstrümpfen, hochhackigen Schuhen usw., wie es Frauen nur selten tun würden.

 

Obwohl viele Transvestiten sich primär sexuell erregen möchten, gibt es doch auch viele andere, die zu einem gewissen Grade Transgender- Gefühle haben. In diesen Fällen sind es die Transgender- Gefühle, die sie zum Crossdressing antreiben. Wenn die Gefühle stark ausgeprägt sind, werden diese Crossdresser auch öffentlich und teilweise am Arbeitsplatz als Frauen auftreten. Einige wenige können sich sogar selbst als Transgender identifizieren, den Weg der Geschlechtsangleichung gehen und zum Vollzeit- Crossdressing übergehen.

 

Es war vor Jahren schwierig für Männer, Frauenbekleidung zu bekommen. Sie hatten auch Angst, als Crossdresser “geoutet” zu werden. Glücklicherweise ist das jetzt einfacher. Es gibt nicht nur Kataloge (z.B. J.C. Penney catalog) und den Handel über das Internet, sondern auch Läden und Versandhandel, die Crossdresser mit Bekleidung u.a. versorgen. Einer der ältesten und bekanntesten Händler mit Fetischware ist Frederick's of Hollywood. In den letzten Jahren ist die Bestellung über das Internet immer leichter geworden (z.B.: TGNOW Shopping Directory, TG Forum Shopping Mall, Glamour Boutique, Fantasy Girl). Diese Internet- Adressen bieten mehr als die traditionellen Damenbekleidungskataloge wie J.C.Penney, denn sie liefern auch große Größen von allem (z.B. Schuhe) und verfügen über ein breites Angebot von sehr erotischen und auch exotischen Stils.

 

Es gibt inzwischen viele Crossdresser- Gruppen und Klubs, in denen sich Transvestiten sicher und ungestört amüsieren können. Der älteste und wahrscheinlich einflussreichste Klub in den Staaten ist Tri-Ess. Er wurde vor Jahrzehnten von Virginia Prince, einem Transvestiten der seither öffentlich bekannt ist, gegründet. Es gibt jetzt Ableger dieses Klubs überall in den USA.


Leider duldet Tri-Ess, wie auch andere alteingesessene Klubs, nur “normale heterosexuelle Männer” als Mitglieder. Homosexuelle sind ausdrücklich ausgeschlossen. Transgender und Transidenten, die gerade mit dem Crossdressing beginnen, die aber bisexuell oder von Männern angezogen sind, dürfen nicht in diese Klubs, weil sie als “Homosexuelle” betrachtet werden.

 

Dieser Ausschluss ist nicht überraschend. Der Tri-Ess- Begründer Virginia Prince war oft als Redner in medizinischen Konferenzen über Transsexualismus in den 60ger und 70ger Jahren vertreten. Er beschrieb Transvestismus als “Liebe des Weiblichen” bei normalen heterosexuellen Männern. Im Gegensatz dazu war Transsexualismus (Transidentität) auch in den Augen von Verhaltenspsychologen dieser Zeit eine “extreme Form der Homosexualität”. (Das war ein Nebenprodukt von John Moneys falscher Theorie, nach der die Geschlechtsidentität aufgrund sozialer Einflüsse entsteht. Psychologen und Psychiater sahen daraufhin TransFrauen als extrem homosexuelle Männer, die nur eine operative Geschlechtsänderung wollten, um leichter mit Männern Sex haben zu können. (Siehe auch: “modern views about the causes of transsexualism”).

 

In den Reden von Prince wurde der Transvestismus im Vergleich zum Transsexualismus als reiner und intellektueller hinsichtlich der Motivation dargestellt. Diese Reden bekräftigten das Paradigma, bei Transsexualismus ginge es nur um Sex, und zwar um homosexuellen Sex. Das wurde besonders von vielen männlichen Psychiatern dieser Zeit sehr Ernst genommen.

 

Die Homophobie und Transphobie, die Prince in die Tri-Ess- Kultur einbrachte, sind noch bis heute zu spüren. Viele Crossdresser lindern damit ihr Schuldgefühl und sagen sich: “Ich kann das ja machen. Ich bin wenigstens keiner von diesen Homos oder Geschlechtswechslern.” Zusätzlich werden mit dem Ausschluss von Transgendern die Ehefrauen beruhigt, die fürchten, ihre Männer könnten zur Homosexualität oder gar zum Geschlechtswechsel verführt werden.

 

Der Ausschluss von Transgendern und Transidentinnen von manchen Crossdresser- Klubs ist ein Problem, vor allem für junge Leute, die gerade “ihre Flügel ausbreiten wollen”. Manche denken anfangs, sie wären nur Crossdresser. Es wird ihnen erst später klar, dass ihr Gefühl tiefer gehend ist. Ab und zu wird es junge Transgender/ Transidentinnen geben, die versuchen, bei Tri-Ess Hilfe zu bekommen. Es kann zu einer entsetzlichen Ablehnung kommen, die gerade bei jungen Betroffenen zu einem kritischen Zeitpunkt (dem Coming-Out zu sich selbst) großen seelischen Schaden anrichten kann. Wir RATEN jungen Leuten, die denken, sie könnten Transgender oder Transidentinnen sein DRINGEND AB, zu Tri-Ess zu gehen. Sie sollten in offenere und tolerantere Klubs gehen. Nur “normale heterosexuelle Männer” werden sich bei Tri-Ess zu Hause fühlen.

 

Glücklicherweise gibt es einen Paradigmenwechsel bei den Crossdressern. Es finden sich immer mehr tolerante Klubs, die für alle offen sind. Es scheint so, dass die Crossdresser im frühen 21. Jahrhundert endlich ihre Angst, ihr Schuldgefühl und ihre Heimlichtuerei überwinden. Das Crossdressing wird zu einem schönen Zeitvertreib für viele Leute, oft sogar unterstützt von den Partnern und Freunden.

 

Ein Beispiel für einen Klub, in dem Transgender/ Transidentinnen willkommen sind, ist Crossdressers International (CDI) in New York City. Es ist eine Crossdresser- Selbsthilfegruppe in einer Wohnung in der City, wo junge Leute ihr Coming-Out haben können. Jeden Mittwoch Abend besteht die Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen. Man kann sich in der Wohnung umziehen und dann seine weibliche Seite zeigen. Manche gehen dann auch noch aus.

 

Es gibt auch "makeover services" in manchen Städten, wo man sich bei der “Erfahrung der Weiblichkeit” fachkundig helfen lassen kann, wie z.B. FemmeFever auf Long Island, New York. Ihr könnt euch erstaunliche Vorher- und Nachher- Bilder auf der FemmeFever Seite ansehen. Hier gibt es Bilder von gut aussehenden Jungen und Fotos nach dem “Makeover” als hübsche Mädchen. Außerdem ist FemmeFever eine Anlaufstelle für eine große Gemeinschaft von CD/TG/TI. Es gibt Events, die auch Neulingen beim Coming-Out helfen können.

 

Hier sind schöne Vorher-/Nachher- Fotos

auf der Femme Fever Webseite:

 

 

 

Hoffentlich wird es immer mehr Crossdresser- Klubs geben, in denen Transgender und Transidentinnen, die so sehr verletzlich zum Zeitpunkt ihres Coming-Outs sind, aufgenommen werden.

 

Es gibt viele “Gender- Konferenzen” in jedem Jahr, die von Crossdressern veranstaltet werden. Diese großen Ereignisse sind Gelegenheiten, sich zu treffen und viel gemeinsam zu unternehmen. Zwei dieser Events sind Southern Comfort (jedes Jahr im Frühherbst in Atlanta, Georgia) und Colorado Gold Rush (jedes Jahr im Frühling in Denver, Colorado). Jeder kann an diesen Konferenzen teilnehmen. Sie werden auch immer mehr zu Transgender- Konferenzen. Die Crossdresser sind aber deutlich in der Überzahl und Crossdressing ist die Hauptsache bei diesen Events.

 

 

Southern Comfort und Colorado Gold Rush:

Nationale Transgender- Konferenzen und Crossdressing- Events.

 

 

 

 

 

Die Teilnahme an einer dieser Konferenzen ist eine wunderbare Möglichkeit zur Selbstfindung für jemanden, der/ die erkennt, dass er/ sie TV/CD/TG/TI ist. Crossdresser können hier tagelang offen, aber auch anonym in den großen Hotels ihr Hobby genießen. Es gibt auch praktische Seminare und Selbsthilfe- Sitzungen für TV/CD/TG/TS- Leute, begonnen von den Grundlagen der weiblichen Körperpflege und der Selbstdarstellung bis hin zu Seminaren für Transfrauen mit Therapeuten und Chirurgen. Auf diesen Konferenzen können TV/CD/TG/TI sich kennenlernen und auch lernen, sich besser zu verstehen.

 

Die Terminologie kann, insbesondere wenn es um Crossdresser geht, sehr verwirrend sein. Manche "Gender- Theoretiker" sortieren männliche Crossdresser oder Transvestiten in die “Transgender- Schublade” ein. Auch Leute aus TG- Selbsthilfe- Organisationen ordnen transvestitische Crossdresser und auch Drag- Queens den Transgendern zu, weil es einfach so viele von ihnen gibt. Man möchte auch deren finanzielle Unterstützung haben.

 

Lynn aber denkt, dass diese Terminologie große Verwirrung stiftet. Crossdresser, die sich eindeutig als Männer sehen, sollten nicht mit MzF- Transgendern durcheinander gebracht werden, die eine weibliche Geschlechtsidentität haben. Viele Transvestiten möchten auch auf keinen Fall als “schwul” oder “transsexuell” bezeichnet werden und fühlen sich dadurch erniedrigt.

 

Immer mehr Transgender/ Transidentinnen bewegen sich durch die Transvestiten/ Crossdresser- Szene. Manche dieser Leute sind sich nicht sicher, in welche Richtung sie gehen sollen (CD oder TG oder TI). Mittlerweile lernen alle in der Szene die Unterschiede zwischen den Gefühlen und dem Selbstverständnis von TG/ TI einerseits und den vielen heterosexuellen männlichen Crossdressern andererseits kennen. Schubladendenken ist wegen teilweise fließender Übergänge fehl am Platz.

 

Es gibt keine scharfe Trennungslinie zwischen transvestitischen Crossdressern und Crossdressern, die Transgender- Gefühle haben. Deshalb sollte es jedem selbst überlassen werden, wo er/ sie sich einordnet. Viele Crossdresser lehnen es ab, als Transgender gesehen zu werden, während andere sich eher als Transgender fühlen, weil sie sich zu einem gewissen Grade weiblich fühlen. Bei Letzteren sollte die Identifizierung als Transgender respektiert werden.

 

Leider gibt es in der Crossdresser- Szene immer noch viel Schamgefühl, Verlegenheit und Angst wegen der langen Geschichte der Stigmatisierung des Transvestismus. Die Mehrheit der Crossdresser hat Angst davor, dass Partner, Familien, Freunde und Kollegen etwas von ihrer Vorliebe erfahren könnten. Diese Furcht ist darin begründet, dass Crossdresser Ziel von Gewaltverbrechen und/ oder Diskriminierung in der Arbeit werden können. Ein Beispiel hierfür ist der Fall "Winn-Dixie".

 

Schlimmer noch, alteingesessene Psychiater sehen in männlichem “transvestitischen Fetischismus” eine psychische Krankheit (wie früher auch die Homosexualität). Die Klassifikation der Amerikanischen Psychiatrie- Gesellschaft “Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV-TR) 2000 wird zwar neuerdings aus vielen Richtungen kritisiert, ist aber trotzdem ein dunkler Schatten über der Crossdresser- Szene, der Angst und Schamgefühl verstärkt.

 

Es ist traurig, dass die zusammen mit Crossdressing diagnostizierten “psychischen Erkrankungen” sehr wahrscheinlich iatrogene Artefakte (von Ärzten ausgelöste Leiden/ Anm.) und Folge der Stigmatisierung durch medizinische Fachkreise und die Gesellschaft als Ganzes sind. Anders gesagt sind die Depressionen und Ängste von Crossdressern durch Psychiater und andere bedingt, die versuchen, die “transvestitischen Verhaltensweisen” zu unterbinden, sogar in Fällen, in denen klar ist, dass das Crossdressing nützlich für das Wohlbefinden ist. Eine Veröffentlichung zu diesem Thema erreicht ihr über diesen Link. Eine umfangreiche Kritik an psychiatrischen Stereotypien hinsichtlich der notwendigen Reform der psychiatrischen Transgender- Klassifikation findet ihr auf der Webseite des Gender Identity Center of Colorado.

 

Die unwissenschaftliche Zuordnung des harmlosen Crossdressing zu den psychischen Krankheiten ist schon lange eine Quelle der Angst und der Diskriminierung nicht nur von Crossdressern, sondern auch von Transgendern. Hoffentlich wird es aktiven Fachleuten gelingen, der Bevölkerung nahe zu bringen, dass die altertümliche Einschätzung des Crossdressings von Seiten mancher Psychiater sinnlos ist und dass diese Ärzte unfair Leute brandmarken, die einfach Spaß haben, ihre Gefühle erkunden, etwas Frieden finden und niemandem weh tun.

 

Zum Glück ändern sich die Zeiten. Viele moderne Crossdresser scheren sich nicht um die alten Anschauungen und erfreuen sich einfach daran wie sie sind und was sie tun. Obwohl viele Crossdresser immer noch denken, sie müssten ihr Tun vor ihren Frauen und Freundinnen vollständig verbergen, sind doch andere offen zu ihren Partnern. Viele Ehefrauen und Freundinnen erkennen, dass sie das Crossdressing des Partners akzeptieren können, insbesondere wenn sie merken, dass der Partner dadurch glücklicher, empfindsamer und motivierter wird und auch mehr Liebe für sie hat. Ein Beispiel findet ihr auf Alison's Webseite, auf der Alisons Beziehung zum Partner Sue beschrieben ist. Ein anderes Beispiel ist Kathys wunderschöne Beziehung zu einer Partnerin, die sie nicht nur versteht, sondern auch akzeptiert (Kathy and Amanda Bower's Home Page). Noch mehr über den Trend zu einem neuen Paradigma der familiären Offenheit kann man in Helen Boyds neuem Buch erfahren:

 

 

 

Mein Ehemann Betty ist ein Buch von Helen Boyd, der Ehefrau eines Crossdressers. Sie schrieb dieses Buch, um Crossdressern und ihren Ehefrauen über “Schamgefühl und Heimlichtuerei” hinwegzuhelfen. Die allgemeine Haltung, dass Crossdressing ein Problem ist, das man in einer Partnerschaft “im Griff haben” muss, verhindert, dass positivere Einstellungen entstehen. Außerdem fand Helen heraus, dass Crossdresser anfangen, ihren Platz im Transgender- Spektrum zu finden. Sie hofft, dass die jungen Crossdresser begreifen werden, dass es auch ihr Anliegen sein muss, sich für Transgenderrechte einzusetzen. Sie ist eine feministische Schriftstellerin und hofft, dass Ehefrauen durch die Liebe des Partners zum Weiblichen gestärkt werden. Helen sagt: “Wir sogenannten genetischen Frauen, die TransFrauen und die ‘temporären Frauen’ haben das gemeinsame Ziel, unser Frausein anzuerkennen und zu feiern.”

 

Helens Buch kann über Amazon.com bestellt werden.

 

 

 

Eine weitere (englische) Einführung zum Crossdressing und Transvestismus ist auf der Seite "Why be a TV" zu finden. Das Kapitel: "What I believe" ist eine wirklich offene, ehrliche und authentische Beschreibung, was es bedeutet, ein transvestitischer Mann zu sein. Es gibt auch etliche gute Links. Persönliche Seiten sind Yvonne's Place for Crossdressers und Tammie's home page. Mehr Bücher werden auf Kathryn's list of CD books vorgestellt.

 

 

 

(iv) Transvestitischer Fetischismus (auch zeitweise von Blanchard et al. "Autogynäphilie" genannt): Terminologie oder Stigmatisierung?

 

Es gibt einige ausgeprägt transvestitische Männer, die durch Gefühle des Drangs zum Crossdressing und zur Masturbation außer Kontrolle geraten, beunruhigt sind und schließlich zu Therapeuten gehen, um diesem Drang Einhalt zu gebieten. Lange wurden diese Leute in der psychiatrischen und sexologischen Literatur als an “transvestitischem Fetischismus” Leidende beschrieben (diese sogenannte Krankheit ist im DSM-IV gelistet). Es ist keine Ursache für diese Erscheinung bekannt. Es gibt auch keine Therapie. Man kann den Leuten nur helfen, wenn man ihnen sagt, sie sollen sich keine Sorgen machen, es einfach akzeptieren und Spaß dabei haben.

 

Leider hat die alte psychiatrische Bezeichnung ein extrem negatives Image und verstärkt die Gefühle von Schuld und Scham bei denen, die zum Psychiater zur Therapie kommen. Die Praxis der verleumderischen Terminologie von skrupellosen Psychiatern hat viel unnötiges Leid bei Crossdressern verursacht, das natürlich wiederum für die Psychiater eine willkommene Einkommensquelle ist.

 

Seit kurzem ist die Situation sogar noch schlimmer geworden. Bestimmte Sexualwissenschaftler versuchen den ausgeprägten Transvestismus zusammen mit Pädophilie und Bestialität als “Sexuelle Perversion” einzustufen. Genau diese Sexualwissenschaftler verbreiten auch die bizarre Idee, dass diese “neuentdeckte Perversion” die Hauptursache der Transidentität sei.

 

Und so geschah es:

 

In den 80ger Jahren begann der Sexualwissenschaftler Ray Blanchard heterosexuelle transvestitische Fetischisten zu interviewen, die in seine Klinik (The Clarke Institute of Psychiatry in Toronto, Kanada) kamen. Im zentralisierten medizinischen System von Kanada wurden fast alle Sexualstraftäter zur Untersuchung und Diagnosestellung in Blanchards Klinik eingewiesen (auch Crossdresser und Transgender).

 

Blanchard war der Anschauung, transvestitischer Fetischismus sei kein passender Begriff und schuf die neue Bezeichnung "Autogynäphilie". Er meinte, die Betroffenen wären nicht "gynäphil" (von Frauen angezogen), sondern "autosexuell gynäphil" (d.h., erregt, wenn sie sich selbst als Frauen sehen).

 

Blanchard war ein kanadischer Experte, was die Diagnosestellung und die Behandlung von gefährlichen Sexualstraftätern mit Perversionen anging und seine Klinik befand sich im “Sexualstraftäter- Flügel” des Clarke Instituts für Psychiatrie. Dieser Flügel war mit Stacheldraht umgeben und die Korridore waren verschlossen und mit Wärtern bewacht. Das war die Umgebung, in der sich alle kanadischen Transgender hinsichtlich ihrer “Perversion” endlos verhören lassen mussten, um medizinische Behandlung (Hormone, Chirurgie etc.) bekommen zu dürfen.

 

In dieser Situation hatte Blanchards neues Wort für Transvestismus eine weitere Bedeutung. Leute mit ausgeprägtem Transvestismus hatten nun nicht nur eine “psychische Krankheit” (schlimm genug), jetzt waren sie “pervers” und fast schon Sexualstraftäter.

 

Kanadische Transidenten konnten damals kostenlos Hormone und chirurgische Therapie bekommen, wenn das Clarke Institut die Genehmigung hierfür gab. Obwohl die meisten Fetischisten gar keine Transgender- Gefühle haben, können manche transvestitische Männer von dem Gedanken besessen werden, ihren Körper umformen zu lassen, um ihre sexuelle Erregung zu steigern. Manche von ihnen gingen zu Blanchard, um sich Hormontherapie und Chirurgie genehmigen zu lassen. Blanchard war der Meinung, diese “Perversen” seien so sehr psychisch krank, dass ihnen ohnehin nicht zu helfen sei und gab die Genehmigung, sofern die Alltagserfahrung entsprechend HBIGDA nachgewiesen wurde.

 

Blanchard ging noch weiter. Er hat nie an die Existenz von Transgendergefühlen geglaubt.

 

Blanchard schlussfolgerte, dass Transfrauen “lügen, um die operative Geschlechtsanpassung zu bekommen”. Er hatte den Verdacht, dass der Drang zu transvestitischem Fetischismus den Wunsch zur Geschlechtsänderung verursacht – besonders bei denjenigen, die sich nicht von Männern angezogen fühlen. Die jungen Transidentinnen betrachtete er als extrem schwule Männer, die ihr Geschlecht ändern lassen, um als Prostituierte mit Hunderten Männern Sex zu haben.

 

Blanchard hatte immer gehofft, ein bedeutender Wissenschaftler zu werden. Deshalb beschrieb er seinen Begriff “Autogynäphilie”, als wäre es eine herausragende wissenschaftliche Entdeckung. Er versuchte dann zu beweisen, dass “Masturbation mit der Vorstellung von sich selbst als Frau” die Ursache der Transidentität sei.

 

Unter Blanchards Leitung war das wichtigste Thema bei der Befragung von “Perversen” im Clarke Institut die Frage nach den Masturbationsgewohnheiten (vielleicht war er auch Anhänger des Mythos, dass Masturbation verrückt macht). Kandidaten für Hormontherapie und Chirurgie wurden endlos über ihre Selbstbefriedigung ausgequetscht. Sie ahnten nicht, dass sie als Forschungsobjekte missbraucht wurden, um Blanchards Theorie zu beweisen. Manche müssen sich aber über dieses Masturbationsgerede gewundert haben, und dass es nie um Transgendergefühle und Transidentität ging.

 

Im Clarke Institut war jeder Bericht über “Masturbation mit der Vorstellung von sich selbst als Frau” ein klarer Beweis der “Autogynäphilie”. Das galt auch dann, wenn die Befragte gar nicht auf männliche Weise masturbierte und sich selbst einfach als Frau sah. Wie alle wissen, masturbiert jeder, auch Transfrauen (welch eine Überraschung). Es ist daher nicht überraschend, dass Blanchard die “Autogynäphilie” bei den meisten Transidentinnen sah.

 

Blanchard machte seine Theorie unwiderlegbar (und zeigte seine Unwissenschaftlichkeit), indem er alle Transidentinnen als Lügner bezeichnete. Wenn eine dieser Frauen Transgendergefühle beschrieb, war das für ihn eine Lüge.

 

Mit der Zeit trieb es Blanchard sogar so weit, dass er alle Transfrauen, die nicht jung, attraktiv und von Männern angezogen waren, automatisch als autogynäphil diagnostizierte. Warum sonst sollte jemand schon eine Frau sein wollen? Außerdem ist es doch sehr angenehm. Man kann eine Diagnose stellen, ohne überhaupt eine Anamnese erhoben zu haben.

 

Schlecht für Blanchard, seine unwiderlegbare Theorie führte ins Nichts. Nicht zu diskutierende Theorien sind im Grunde nicht besonders interessant für wirkliche Wissenschaftler. Mitte der 90ger Jahre war seine Theorie nur noch eine geschichtliche Kuriosität. Kein ernstzunehmender Forscher oder Kliniker außerhalb des Clarke Institut maß ihr irgend einen Nutzen oder Wert bei.

 

Mittlerweile kamen und gingen viele transvestitische Fetischisten durch Kliniken. Nur sehr wenige unterzogen sich danach einer Geschlechtsangleichung. So etwas gab es fast nur im Clarke Institut. Die meisten Männer haben genügend gesunden Menschenverstand, um zu wissen, dass eine Kastration ihre männlichen sexuellen Gefühle nicht gerade verstärkt. Außerdem hat man viel gelernt aus den Fällen, in denen fetischistische Männer eine Geschlechtsanpassung hatten, wie z.B. aus dem Fall von Gregory Hemingway.

 

Der tragische Tod des Sohnes von Ernest Hemingway im Jahre 2001 enthüllte, dass er/sie seit langem transvestitischer Fetischist war. Irgendwann hatte Gregory einen Brustaufbau und später die operative Geschlechtsveränderung. Er ging jedoch nur selten als Frau gekleidet in die Öffentlichkeit und wurde von der Hemingway- Familie als Gregory gesehen (und nicht als Gloria oder Vanessa, Namen, die er manchmal nutzte, wenn er als Frau gekleidet war). Sogar nach der operativen Geschlechtsveränderung erschien er gewöhnlich als Mann in der Öffentlichkeit, wie auch dieses Foto mit seiner Frau Ida 1999 zeigt. Das ist oft der Fall, wenn ein fetischistischer Mann eine operative Geschlechtsveränderung hat, aber kein inneres Bedürfnis verspürt, als Frau in der Gesellschaft zu leben. [mehr über Fälle irrtümlicher Geschlechtsveränderungen erfahrt ihr auf Lynns SRS Warning Page]

 

Es gibt einige Kliniken wie das Clarke Institut, die hauptsächlich auf ältere Fetischisten wie Gregory/Gloria spezialisiert sind. Es kann schlimm für Transgender sein, dort hin zu kommen. Sie können einen schockierenden, aber falschen Eindruck davon bekommen, wie ihre Zukunft aussehen könnte, wenn sie denken, dass ihre Mitpatienten Transfrauen sind. In solchen Kliniken ist es die Überzeugung der Therapeuten, dass Transidentinnen psychisch kranke Männer sind und dass die Geschlechtsangleichung deren Leben ruinieren wird. Wenn ein Therapeut solche Andeutungen macht, sollte man sich schnellstens einen neuen suchen! Es sollte einer sein, der hilft, Gutes zu erreichen und nicht Schlechtes suggeriert.

 

Mitte bis Ende der 90ger Jahre wurde J. Michael Bailey (ein Sexualwissenschaftler an der Northwestern Universität, der schwule Männer untersuchte und nichts über Transfrauen wusste) auf Blanchards Theorie aufmerksam. Bailey nahm mit Blanchard Kontakt auf, um dessen Theorie zu unterstützen. Er interviewte eine Hand voll transidente Probanden, um sich selbst mit einer Aura der Glaubwürdigkeit zu umgeben und tat so, als würde er Transidentität studieren.

 

Etwa 1999 griffen Blanchard und Bailey die exotischen Enthüllungen von Anne Lawrence, M.D. auf und starteten einen Versuch, Blanchards Theorie wieder zum Leben zu erwecken. Lawrence bezeichnete sich selbst als "autogynäphiler" Fetischist. Er unterzog sich einer Geschlechtsänderung und unterhielt eine populäre medizinische Transfrauen- Support- Webseite.

 

Lawrence schien wirklich in Blanchards Theorie zu passen. Lawrence beschrieb seine Erfahrungen wie folgt: Er war ein “Mann, gefangen in einem männlichen Körper”, der sich sexuell als “Mann in einem Frauenkörper” befriedigen will. Lawrence bekannte sich nicht nur zur “Autogynäphilie”, sondern unterstützte die Theorie auf seiner Webseite und behauptete, alle Transfrauen seien entweder autogynäphil oder Lügner.

 

Jugendlichkeit und Schönheit waren die Attribute, in denen Bailey, Blanchard und Lawrence (BBL) Faktoren für etwas anderes als die “Autogynäphilie” sahen. Fast alle älteren, nicht so sehr passablen Transfrauen wurden als "Autoguys" bezeichnet. BBL verletzten damit tief viele Frauen, die die selben Transgendergefühle hatten wie jede andere Transfrau. Auch junge lesbische Transfrauen wurden als “Autoguy” bezeichnet und somit stigmatisiert.

 

Als Einzige entgingen junge und hübsche Frauen, die von Männern angezogen waren, dieser Bezeichnung. Diese wurden “homosexuelle Transsexuelle” genannt und automatisch als Prostituierte oder Schlimmeres betrachtet. Und selbst in diesen Fällen nannten BBL Frauen “Autoguy”, sobald sie von Masturbation in weiblichem Outfit hörten. Der einzige Weg für junge Transfrauen, dieser Bezeichnung zu entgehen wäre es gewesen, vor dem Masturbieren Männerbekleidung anzuziehen.

 

Es war nicht nur wissenschaftlich falsch, sondern auch boshaft von Blanchard, Bailey und Lawrence, Transfrauen alleine auf Grundlage des Erscheinungsbildes und der sexuellen Orientierung als “Autoguys” zu bezeichnen. Die inneren Transgendergefühle und das Bedürfnis, einen weiblichen Körper zu haben und als Frau wahrgenommen zu werden haben nichts zu tun mit Masturbation oder/ und der sexuellen Orientierung zu potenziellen Partnern. Es geht vielmehr um die eigene geschlechtliche Identität, innere Wahrnehmungen von Körpergefühlen und das Bedürfnis, in Harmonie von Körper und Seele zu leben.

 

Mit Autoritarismus und Despotentum haben es Bailey, Blanchard und Lawrence dennoch geschafft, zwischen 1999 und 2003 zusammen mit ihren Kollegen Zucker und LeVay politischen Einfluss mit ihrer “Theoretischen Sexologie des Transsexualismus” zu bekommen. Sie holten Blanchards veraltete Theorie aus dem Grab und trichterten sie mit allen nur erdenklichen Mitteln den anderen Sexologen ein.

 

Nach ihren Erfolgen unter den Sexologen gingen sie Anfang 2003 daran, ihre Theorie zu publizieren und es gelang Bailey, bei der National Academy Press ein Buch herauszugeben. Es ist unglaublich, aber diese Theorie wird in Baileys Buch als wissenschaftlicher Fakt verkauft. Dadurch wurde eine ernsthafte Kontroverse zwischen dieser Hand voll Sexologen und der Gemeinschaft der Transgender ausgelöst.

Zusammengefasst ergab sich seit dem Frühjahr 2003 folgendes:
Die Transgender haben sich besonders über das Internet organisiert, um die Ideen von Bailey und seinen Freunden zu bekämpfen. Die Arbeit von Bailey wurde kritisiert, da sie nicht auf den Prinzipien der wissenschaftlichen Forschung beruht. Es wurde eine administrative Untersuchung an der Northwestern Universität gegen Bailey eingeleitet, die sich mit der Rechtmäßigkeit seiner Forschungsmethoden auseinandersetzt. Zusätzlich erhielten die Transgender die Unterstützung professioneller Gruppen wie der HBIGDA (Gesellschaft von Sexualwissenschaftlern und Psychotherapeuten), Professoren und vieler anderer.

Mehr über Baileys Theorie und die Kontroverse um sein Buch erfahrt ihr über folgende Links:
Andrea James' BBL Clearinghouse und
Lynn's investigative report on Bailey's book.

Glücklicherweise wird die Unwissenschaftlichkeit und mangelhafte Methodik von Baileys Arbeit genau unter die Lupe genommen. Folgerichtig wurde die Theorie in Publikationen wie IFGE, TCN, und SPLC angegriffen, besonders in folgendem „Southern Poverty Law Center“- Artikel:

 

 

Queer Science: An 'elite' cadre of scientists and journalists

tries to turn back the clock on sex, gender and race

 

 

Man sollte produktiver sein, als nur endlose Debatten über Begriffe und Bezeichnungen und deren Bedeutung an sich zu führen. Es sollten breit angelegte Follow-up- Untersuchungen nach Geschlechtsangleichung erfolgen. So könnte in Erfahrung gebracht werden, welche Faktoren günstig und welche Faktoren ungünstig für ein gutes Ergebnis sind.

 

Wenn ihr das Wort "Autogynäphilie" hört, übersetzt es getrost in den ursprünglichen Begriff “transvestitischen Fetischismus”.

 

Mehr über Wortschöpfungen, die zu psychischen Krankheiten hochstilisiert werden erfahrt ihr über folgenden Link:

 

 

Nymphomania and Autogynephilia:

The Invention of Mental Illnesses by Psychiatrists

 

 

Weiteren Kritizismus zum Thema "Labelling" (Etickettieren/ Bezeichnen) findet ihr hier: "Getting beyond labels"

 

 

(v) Andere:

 

Andere, die oft als Transgender oder Homosexuelle verkannt werden, sind Männer, die sehr feminin wirken und Frauen, die sehr maskulin aussehen. Es gibt viele, die ein nicht eindeutiges Aussehen haben und gar nicht wahrnehmen, dass ihr Körper vermischte Signale hinsichtlich ihres Geschlechts aussendet. Das ist genetisch bedingt und hat nichts mit Transgendergefühlen zu tun. Leider gibt es nur wegen des Aussehens viele Vorurteile diesen Leuten gegenüber.

 

Seit kurzem nennen sich einige wenige von ihnen "trans" oder "transgendered", um gegen rigide Geschlechterklischees anzugehen. Es gibt Jungen, für die eine Frau wie Britney Spears nicht nur attraktiv ist, sie möchten auch ein bisschen so sein wie sie. Deshalb kleiden sie sich dann mit allem, wozu sie Lust haben, unabhängig von ihrem Geschlecht. Sie nehmen etwas Make-up und machen teilweise Crossdressing, um sich selbst auszuprobieren und auch, um zu provozieren.

 

Viele dieser "Transkids” sind gar keine Transgender und schließen diese Phase nach der Schule oder der Uni ab. Diese “Bewegung” erinnert an die 60ger Jahre, als Männer anfingen, ihre Haare wachsen zu lassen, um gegen die Schlips und Kragen- Uniformierung der 50ger Jahre zu protestieren. Dieser Trend kann sehr hilfreich für Transgender und Homosexuelle sein. Er lockert die Ansichten in der Gesellschaft auf und macht Menschen toleranter.

 

Schließlich gibt es Leute, die zwischen den Transgendern herumtingeln, die aber auch nicht einfach als Transgender angesehen werden können. Eine große und diffuse Gruppe besteht aus Männern, die es nicht gepackt haben. Sie denken, weil sie als Männer Versager sind, besteht ihr Problem darin, dass sie eigentlich Frauen sein sollten. Vielleicht haben sie auch schon ein bisschen Crossdressing gemacht und hörten vom Transgenderismus. Dann liegt der Gedanke nahe: “Aha! Das ist die Erklärung für all meine Probleme!” Vielleicht sind sie auch neidisch auf behütete junge Mädchen und meinen, sie könnten auch einen Wohltäter finden, der sich um sie kümmert. Im Zustand der Verwirrung kommen diese Leute dann ab und zu in Transgender- Selbsthilfegruppen oder sogar in Kliniken in Großstädten, um ihr “Geschlecht zu wechseln”.

 

Es ist schwierig, diesen “Verlierertypen” zu helfen. Viele sind psychisch krank, andere sind süchtig, oft sind sie in einem schlechten Gesundheitszustand und die meisten haben komplexe psychosoziale Anpassungsschwierigkeiten. Sie denken, sie könnten schöne Frauen werden, wenn die Ärzte ihnen nur Hormone geben und sie operieren würden, ohne dass sie selbst irgend etwas dafür tun müssten. Sie präsentieren sich als “Opfer” und lassen sich in Kliniken fallen, um von der Wohlfahrt Hilfe zu bekommen.

 

Solche abhängige Leute sind denkbar schlechte Kandidaten für eine Geschlechtsanpassung. Sie leiden nicht an Transidentität und haben abgesehen davon auch gar nicht die Fähigkeit, ein solch komplexes Projekt anzugehen. Die Versuche dieser Leute enden gewöhnlich in einem Desaster, das zu weiterer sozialer Ausgrenzung führt. Diese “Verlierer” hängen sich oft für Jahre an Selbsthilfegruppen an. Insbesondere die Autogynäphilen schocken hier junge Transgender, die sich den Gruppen nähern möchten. Es sind traurige Fälle, für die es bisher keine wirkliche Hilfe gibt.

 

 

Wieso sind manche Leute so feindselig gegenüber Transgendern?

Wieso werden Transgender und Transidenten für deren Berührungsängste verantwortlich gemacht?

 

Wenn man homosexuell ist, ändert das nichts am Geschlecht, am Namen oder an der körperlichen Erscheinung. Es bedeutet nur, dass man gleichgeschlechtliche Partner begehrt. Die meisten Homosexuellen fallen überhaupt nicht auf und werden auch nicht verfolgt.

 

Bei Transgendern sieht die Sache anders aus. Besonders, wenn sie als Erwachsene ihr körperliches Geschlecht an ihre Geschlechtsidentität anpassen wollen, ist das mit dem “Nicht Auffallen” schwierig. Geschlechtsanpassung bedeutet: körperliche Veränderung, Änderung der Bekleidung und der äußeren Erscheinung, Namensänderung, Änderung der Papiere, Änderung familiärer und sozialer Beziehungen. Kurz gesagt, alles verändert sich.

 

Während der Geschlechtsanpassung werden manche oft wie Exhibitionisten oder außer Kontrolle geratene Transvestiten behandelt. Viele Leute sind sehr feindselig, weil sie Transidenten für “Perverse” halten. Sogar Homosexuelle fühlen sich teilweise in der Nähe von Transidenten nicht wohl, weil sie befürchten, es würde dann ein falsches Bild über sie verbreitet werden. Auch Transvestiten, die Schuld und Scham wegen ihres Crossdressings empfinden, fühlen manchmal Unbehagen und Angst, wenn sie Transidenten sehen.

 

Wie wir auch im Teil II sehen werden, betrachten viele Psychiater Transgenderismus und Transidentität immer noch als psychische Krankheit. (wie auch manche Psychiater Crossdressing als psychische Krankheit ansehen und es als “transvestitischen Fetischismus” bezeichnen). Immer noch sind die Begriffe im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV-TR) 2000 gelistet. Diese Klassifikation ist eine zusätzliche Quelle der Stigmatisierung von Transgendern, denn psychisch kranke Leute werden oft selbst für ihre Probleme verantwortlich gemacht. Es gibt auch Bilder von ihnen in der Gesellschaft, die andere beängstigen.

 

Auch in den etablierten Religionen gibt es Tabus bezüglich abweichendem geschlechtstypischem Verhalten. Transgender werden oft verteufelt und verfolgt.

 

All das sind Gründe, wegen der Transgenderismus und Transidentität (besonders MzF Transidentität) “sozial unpopuläre Zustände” in der westlichen Gesellschaft sind. Leider kann die vorhandene Feindseeligkeit eine Geschlechtsanpassung kompliziert oder gar unmöglich machen, insbesondere wenn es Probleme mit dem Arbeitgeber gibt. Man sollte nicht die Qualen unterschätzen, die entstehen, wenn eine Geschlechtsanpassung misslingt (lest auch die Geschichte von Rexanne in A Tragedy's Tragic End).

 

Hoffentlich wird es eines Tages Verständnis für Transgender und Transidenten in der Gesellschaft geben, die weiter nichts tun, als die bestehende Disharmonie zwischen Seele und Körper zu beseitigen. Vor diesen Leuten sollte keiner Angst haben. Sie sollten auch nicht stigmatisiert werden wegen Gefühlen, die ihnen in die Wiege gelegt worden sind und für die sie nichts können.

 

 

Grauschatten: Geschlecht und Partnervorliebe

 

Natürlich sind manche Dinge nicht so einfach, wie sie in den bisherigen Erläuterungen erscheinen. Es gibt nicht nur schwarz und weiß. Das Spektrum der Geschlechter beinhaltet auch Grauschatten.

 

Manche Homosexuelle haben auch eine abweichende Geschlechtsidentität. Zum Beispiel kann jemand, der zuerst als femininer Junge einen Platz in der Gemeinschaft schwuler Männer findet und sich selbst als “Drag Queen” bezeichnet, eigentlich Transgender oder sogar Transidentin sein. Einige Transgender sind homosexuell. Andere können auch bisexuell sein und sich zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlen. Es stellt sich die Frage, ob eine präoperative Transfrau, die eine Frau liebt heterosexuell oder lesbisch ist. In all diesen Fällen sehen wir, wie uns unser Drang, für alles einen Namen zu finden, in semantische Schwierigkeiten, Fehler und Verwirrung führt.

 

Es gibt z. B. viele Denkmodelle, wenn zwei genetisch männliche Partner sich lieben. Sie können ganz einfach schwul sein. Einer der Partner könnte aber auch eine präoperative Transfrau sein und der andere ein heterosexueller Mann. In diesem Fall empfinden beide ihre Liebe als eine Liebe zwischen Mann und Frau (Lynn hatte einige solche Liebesbeziehungen, als sie eine junge präoperative Transfrau war). Beide Partner können aber auch ihre Beziehung fälschlicherweise als schwul ansehen, obwohl es eigentlich in jeder Hinsicht eine Mann-Frau-Beziehung ist.

 

Ähnlich kann es auch bei zwei genetisch weiblichen Partnern aussehen. Noch komplizierter wird das Ganze, wenn beide Partner Transgender sind. Was passiert, wenn dann einer der Partner sein Geschlecht anpasst? In einer kürzlich im New York Times Magazine erschienenen Geschichte von Sara Corbett stellt sich die Frage "Bedeutet die Geschlechtsanpassung das Ende der Beziehung?" In der Geschichte geht es um zwei Frauen, Chris und Debbie, die ein lesbisches Paar waren und eine kleine Tochter hatten (Debbie war mit Spendersamen befruchtet worden). Chris aber war FzM- Transident und hatte später die hormonelle und chirurgische Geschlechtsanpassung. Daraus ergaben sich eine Menge Fragen und Schwierigkeiten in der Partnerschaft. Debbie ist wieder schwanger und erwartet einen Jungen. Es ist eine schöne Geschichte über zwei Liebende und ihre Familie.

 

 

Chris und Debbie, mit Tochter Hannah

 

[ aus dem New York Times Magazine, 10-14-01 ]

 

 

Eine andere häufige Situation findet sich bei Transfrauen, die spät ihre Geschlechtsanpassung haben. Sie sind oft mit Frauen verheiratet und haben Kinder. Das ist nicht überraschend. Lange Zeit gab es extremen sozialen Druck und auch Transidenten sehnen sich nach einer Familie. Es kann sein, dass die Ehefrau gar nicht ahnt, dass ihr “Ehemann” als Frau empfindet, in der Partnerschaft eine lesbische Beziehung sieht und seinen Körper dem anpassen will. Manchmal erfährt die Ehefrau erst die Wahrheit, wenn ihr Partner Hilfe sucht. Meistens endet die Partnerschaft dann mit der Geschlechtsangleichung. Es gibt aber auch Partnerschaften (wie die von Chris und Debbie), die weiter intakt bleiben, wenn sich beide Partner sehr lieben.

 

 

Geschlechtsspezifische Gefühle und Verhaltensweisen

 

Wir haben gesehen, dass es eine Vielfalt der Kombinationen von Geschlecht und Sexualität gibt. Das betrifft viele enge Liebesbeziehungen. Leider entspricht unser Wortschatz diesem Phänomen noch nicht. Deshalb sind viele Leute sich selbst überlassen, wenn sie mit Störungen der Geschlechtsidentität in ihrer Partnerschaft in Berührung kommen.

 

Die Tendenz der Psychiater, Psychologen, Ärzte und Therapeuten, uns in die Schubladen “Transvestit”, “Transgender”, “Transsexuelle” usw. zu schieben, kann absolut verschleiern, was überhaupt los ist. Die Leute mit abweichender Geschlechtsidentität selbst verfangen sich oft in einem Wirrwarr von Argumenten über die Bezeichnungen. Therapeuten und Klienten kleben oft lange an der Frage: “Ist er (oder bin ich) nun ein Transvestit, ein Transgender, eine DQ oder wirklich eine Transidentin?” Und so geht es dann weiter. Oft wird dann darüber nachgedacht, was wohl mehr akzeptabel wäre, abhängig davon, mit wem man gerade spricht.

 

Diese Probleme mit Bezeichnungen erinnern Lynn an eine Beobachtung von Edwin Armstrong, einem Forscher auf dem Gebiet der modernen Kommunikationstechnologie Anfang des 20. Jahrhunderts.

 

 

 

“Menschen ersetzen reale Dinge mit Wörtern und reden dann nur noch über Wörter.”

 

- Edwin Armstrong

 

 

Wäre es nicht besser, sinnvolle Fragen zu stellen, anstatt sich mit bedeutungslosen Redereien über Bezeichnungen zu beschäftigen? Es kann jemand Crossdressing machen, ohne ein Transvestit zu sein. Er könnte auch TG, TI oder DQ sein. Ein anderer kann sich über die Brustentwicklung durch Hormone freuen und ist aber keine Transidentin oder nicht einmal Transgender. Wie ihr seht, bringt einen die Bezeichnerei nicht unbedingt weiter.

 

Bezeichnungen geben uns die Illusion, dass alles seinen Namen hat, aber wenn ihr näher hinseht, bemerkt ihr, dass das nur Schall und Rauch ist. Wir sind was wir tun, was wir fühlen, wie wir uns verhalten und welche Richtung wir verfolgen. Alles ist ständig im Fluss. Wir können nicht ein für alle male definiert werden, indem man einen Stempel auf uns drückt.

 

Was wirklich zählt ist, was du in deinem Inneren fühlst. Was sagen dir Körper und Herz? Wie sind deine Verhaltensweisen? Was sind deine Erfahrungen? Welcher Weg macht für dich Sinn? Welche sozialen und körperlichen Veränderungen kannst und solltest du anstreben, um den für dich besten Platz in der Gesellschaft zu finden? Kannst Du diesen Weg gehen, ohne zu viel (Job, Partner, Familie) zu opfern?

 

Das sind die Fragen, die beantwortet werden müssen. Man kann nicht einfach eine Diagnose stellen und sagen: “Du bist Transidentin und musst jetzt folgendes machen: erstens, zweitens, drittens, …” Das funktioniert nicht. Die Dinge sind viel komplexer.

 

Es gibt so viele Faktoren, die eine Rolle spielen, dass es sinnlos ist, im voraus zu versuchen, jemanden als CD, TG oder TI einzustufen. Die Unterscheidung gelingt nur, wenn man beobachtet, was der-/ diejenige im Laufe der Zeit tut. Manche Leute machen Crossdressing und sind dabei glücklich. Du könntest sie Crossdresser nennen, aber woher willst du wissen, was sie in den nächsten zehn Jahren tun werden? Manche vollziehen später den sozialen Rollenwechsel (gewöhnlich mit Hilfe der Hormontherapie). Jetzt könntest du sie Transgender nennen, aber was hat das für eine Bedeutung? Schließlich werden Leute die Genitaloperation anstreben. Dann wären es also Transidenten. Das könnte aber auch ein Irrtum sein (siehe Teil II).

 

Das einzige, worüber man sich sicher sein kann, sind Verhaltensweisen von Leuten und Fakten wie:

·         Jemand macht Crossdressing.

·         Jemand vollzieht den sozialen Rollenwechsel.

·         Jemand hat die Genitaloperation.

Es ist aber bedeutungslos, ihn als CD, TG und TI zu bezeichnen. Das sind nur Momentaufnahmen.

 

Beachte bitte: So sieht Lynn die Bezeichnungen. Man sollte immer die Komplexität von Persönlichkeiten und ihre Variabilität im Zeitverlauf berücksichtigen. Außerdem müssen wir offen gegenüber neuen Erkenntnissen aus dem Leben von Transgendern sein.

 

Es gibt auch keine sinnvolle Beschreibung der Rollenspiele der Schwulen. Die Bezeichnungen und die daraus abgeleiteten Rollen sind einfach zu statisch. Bezeichnungen sind zu beschränkt, um Menschen zu charakterisieren. Sie sind nicht geeignet, um vorher zu sehen, was jemand tun sollte, was er tun wird oder was er wirklich braucht, um seinen Platz in der Gesellschaft zu finden.

 

Nur du kannst wissen, was Herz und Körper dir sagen, welche Verhaltensweisen du versuchen/ erkunden musst und in welche Richtung du dich schließlich wenden solltest. Man sollte dabei immer alle denkbaren Möglichkeiten in Betracht ziehen. Lasse dich nicht in eine Schublade schieben und dann vorschreiben: “Als CD oder TI musst du jetzt das und das tun!” Erlaube dir, auch mal von vorhergedachten Pfaden in andere Richtungen abzuweichen, wenn du neue Gefühle hast.

 

Genauso erkunden neuerdings Menschen ihre Sexualität und gehen über die vorgegebenen Begriffe “heterosexuell” und “schwul/ lesbisch” hinaus, wenn sie eine Liebesbeziehung suchen. Auch durch diese Bezeichnungen wird man bei der Suche nach der wahren Liebe viel zu sehr eingeschränkt. Für viele ältere Schwule/ Lesben haben die Bezeichnungen aber eine große Bedeutung und spielen bei der Selbstidentifizierung eine Rolle. Die Bezeichnungen sind bei ihnen Teil der eigenen Identität und es gibt einen enormen Druck, sie “politisch korrekt” zu benutzen und auf alle anzuwenden. Dabei wird nicht an die “Bisexuellen” gedacht, bei denen es im Leben nur darauf ankommt, in wen sie sich verlieben.

 

 

Über den Link Bay Windows Online gelangt ihr zu einer exzellenten Einführung in die komplexe Thematik der Beschreibung der Identität.

Ein neues Buch wird auf folgendem Link diskutiert:

 

New book puts gender and trans identity on the table: "Festgenagelt durch Pronomen" (Conviction Books), die Anthologie umfasst Beiträge von 75 Autoren – die meisten sehen sich als Transgender. Diese mehr als 200 Seiten umfassende Sammlung ist eine literarische Errungenschaft für die Bostoner Transgender. Ganz zu schweigen davon, dass durch sie auch die Anschauungen der Öffentlichkeit über Stereotypien hinsichtlich des Geschlechtes geändert werden können. Das Buch unterstreicht aber auch die zunehmende Solidarität in der Transgendergemeinschaft der Stadt. Eine Gemeinschaft, die vereinigt ist im Ziel, die starre Zweigeschlechtlichkeit mit den sich daraus ergebenden Rollen herauszufordern. Es geht um die Fragen:
“Was macht uns zum Mann?”,
”Was macht uns zur Frau?” und
”Was macht uns zum Menschen?”
”Aus dem Transgender- Blickwinkel möchten manche die Zweiteilung erweitern, manche möchten sie zerbrechen und manche möchten sie bewahren", erklärte Lee Thornhill, der Herausgeber der Conviction Books. "[Aber] wir alle möchten so gesehen werden, wie wir sind."

 

Auszug aus dem VORWORT

Taryn Levitt

In diesen Seiten gehen wir zurück. Wir sprechen über Theorien, die uns ausradieren wollten.
Wir wenden uns den Büchern zu, die über uns, aber nie für uns geschrieben wurden,
den Ärzten, die uns nur als Krankheit betrachten,
unseren Ursprungsfamilien, die uns verstoßen,
unseren neuen Familien, die uns aufnehmen,
denen, die uns lieben,
denen, die uns tot sehen wollen,
denen, die sagen: “Euere Leben sind nicht möglich” (Abe Rybeck).
Unsere Leben sind nicht nur möglich, sie sind auch revolutionär.

 

- aus Festgenagelt durch Pronomen

 

 

 


 

Im nächsten Abschnitt werden wir Transgender- und Transidentinnen- Lebenswege detaillierter vergleichen. Wir werden sehen, dass diese Wege weit über das hinaus gehen, was im “Geschlechter- Raum” der Gesellschaft vorgegeben ist, und dass sie in erfüllende Leben führen. In den Erläuterungen gibt es Beschreibungen, wie man diese neuen “Geschlechter- Wege” gehen kann (Abfolgen der “Geschlechter- Etappen”). Im Verlauf werden wir immer besser darüber informiert sein, in welche Richtungen man von jedem beliebigen Anfangspunkt aus gehen kann, um Authentizität für sich zu finden.

 

 

 

Fortsetzung:

Teil Ia: TRANSGENDERISMUS 

 

 

 

 

 

 

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